1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. Werkstatt für Behinderte: Werkstatt für Behinderte: Ein zusätzlicher Bus?

Werkstatt für Behinderte Werkstatt für Behinderte: Ein zusätzlicher Bus?

Von Detlef Mayer 30.04.2014, 19:53

SEyda/Jessen/MZ - „Es geht hier konkret um eine zusätzliche Busfahrt.“ So fasste eine Mutter die augenblickliche Konfliktlage zwischen dem Gros der Eltern und Betreuer einerseits und dem Augustinuswerk als Träger der Jessener Zweigwerkstatt für behinderte Menschen (WfbM) andererseits zusammen. Zumindest bis zur grundsätzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts zu der vom Augustinuswerk per 1. April eingeführten 40-Stunden-Werkstattwoche und der damit zusammenhängenden Beförderungsregelung für die in Jessen Tätigen sei genau das der Punkt. Die geforderte zusätzliche Bustour betrifft jene Beschäftigten, deren Angehörige und Betreuer auf den alten 35-Stunden-Verträgen beharren, die also täglich eine Stunde früher die WfbM verlassen könnten.

Obige Äußerung machte die Mutter wie gesagt vor dem Hintergrund, dass beim Arbeitsgericht bereits ein Rechtsstreit zur 40-Stunden-Woche in der WfbM anhängig ist. Die Güteverhandlung dazu sei für den 12. Mai anberaumt, informierte Matthias Monecke als Vorstand vom Wittenberger Augustinuswerk bei der jüngsten Vermittlungsrunde auf dem Seydaer Diest-Hof zwischen den Eltern/Betreuern, die ihre Schützlinge mit der längeren Betreuungszeit überfordert sehen, und seinem Verein. Das Ergebnis der Verhandlung möchte Monecke abwarten - „bis zum 12. Mai, das ist ja nun kein endloser Zeitraum“ - und erst dann weiter diskutieren über mögliche Folgerschritte. Ausgenommen davon ist, wie bereits berichtet, das Prüfen einer eventuellen Außengruppe der Werkstatt des Augustinuswerks auf dem Diest-Hof, einer Einrichtung zur Lebensbegleitung von Menschen mit geistigen Behinderungen. Auch der Behindertenbeauftragte der Magdeburger Landesregierung, Adrian Maerevoet, plädierte für diese Verfahrensweise.

Von einigen Eltern hieß es jedoch: „Wir brauchen keinen Gerichtsentscheid, wir sehen, dass unsere Kinder erschöpft sind.“ Dem Augustinuswerk wurde in diesem Zusammenhang vorgeworfen, eine Schädigung der beeinträchtigten Beschäftigten in Kauf zu nehmen. „Das ist schon fahrlässig! Und so etwas bei einer kirchlichen Einrichtung.“ Andere Betreuer der Runde führte das Beharren des Augustinuswerks auf der 40-Stunden-Woche zu dem Gedankenspiel, untersuchen zu lassen, ob ihre Schützlinge unter diesen Bedingungen - die langen Fahrzeiten eingeschlossen - überhaupt noch werkstattfähig sind. „Besser dran wären sie doch auf dem Diest-Hof, ohne WfbM. Brauchen wir das Augustinuswerk also überhaupt?“

Adrian Maerevoet warnte vor unsachlichen Äußerungen: „Mit gegenseitigen Vorwürfen ist schlecht eine Lösung zu finden.“ Er forderte auf, miteinander dafür zu kämpfen, dass die WfbM vom Augustinuswerk weiter bestehen kann, dass die Zweigstelle in Jessen erhalten bleibt und mit ihr das Wohnheim an der WfbM auf dem Diest-Hof. Sollte nämlich die Werkstatt-Niederlassung Jessen schließen müssen (wegen Unwirtschaftlichkeit, der Monecke mit der 40-Stunden-Woche entgegenzutreten versucht), würde der Diest-Hof den Teilstatus Wohnheim an WfbM verlieren, was sicher wirtschaftliche Einschnitte für die Einrichtung zur Folge hätte und einige Bewohner zwingen würde umzuziehen.

Der Landesbehindertenbeauftragte appelliert, dass in das Leben der von dem Zwist betroffenen Behinderten unbedingt wieder Ruhe einkehren müsse. „Sie brauchen das Empfinden, sicher zu sein.“ Als diesbezüglich zielführend bewertete er den Augustinuswerk-Vorschlag, bis zum Gerichtsentscheid für die 35-Stunden-Beschäftigten, die ja bislang denselben Bus für die Heimfahrt benutzen müssen wie die 40-Stunden-Leute, über den Tag verteilt längere Ruhezeiten zu gewährleisten.

Doch etliche Angehörige sagten, „wir glauben nicht, dass unsere Kinder die 40-Stunden-Woche noch lange ertragen“. Was zwei Mütter die Anregung geben ließ, privat eine Initiative für einen zusätzlichen, früheren Heimfahrt-Bus zu starten. Diest-Hof-Leiter Andreas Gebhardt erklärte, dass eine Rufbus-Nutzung dafür nicht praktikabel sei, das habe er geprüft. Einen Bus vorübergehend selbst zu finanzieren, können sich aber weder der Diest-Hof noch die Eltern leisten. Bleibt also nur, neben einem unvermeidlichen privaten Obolus (fünf Eltern erklärten sich spontan bereit) für ein Großraum-Taxi Spenden aufzutreiben und vielleicht Gelder aus dem persönlichen Budget verfügbar zu machen. Letztgenannte Möglichkeit abzuklopfen, wollte Maerevoet übernehmen.