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Schäfer Frank Seide aus Prettin Schäfer Frank Seide aus Prettin: Knurrige Nachtwächter gegen den Wolf

Von Thomas Tominski 09.02.2021, 20:30
Routinearbeit: Schäfer Frank Seide baut einen Koppelzaun auf. In der Glücksburger Heide hat er insgesamt 90 Hektar eingezäunt. Getreideauswuchs ist für die Tiere eiweißreiche Nahrung.
Routinearbeit: Schäfer Frank Seide baut einen Koppelzaun auf. In der Glücksburger Heide hat er insgesamt 90 Hektar eingezäunt. Getreideauswuchs ist für die Tiere eiweißreiche Nahrung. Thomas Tominski

Prettin - Schäfer Frank Seide zieht den Koppelzaun zur Seite und gibt den Weg zu einer neuen Futterfläche frei. Die Tiere laufen im Galopp an ihrem „Herrchen“ vorbei und senken nach dem Erreichen eines geeigneten Platzes sofort die Köpfe. „Getreideauswuchs ist sehr eiweißreiches Futter“, sagt der 62-Jährige, der sich über den zumindest bis zum vergangenen Wochenende milden Winter freute.

Schnee und Frost gehören mit zu den Feinden eines Schäfers, meint er, den Tieren geht in diesem Fall viel Futter verloren. Die Burenziegen grasen separat. Seide erzählt, dass diese nicht solche Feinschmecker wie die Schafe sind, doch Ziegen besitzen die Eigenart, schnell das Kommando in der Herde zu übernehmen. „Sie verhalten sich auch mir gegenüber dominant“, so der Prettiner, nur bei seinen zwei Herdenschutzhunden spielen sie nicht den dicken Max.

Prüfung bestanden

Die Pyrenäenberghunde sind seit November 2020 zertifiziert. Prüfer der Interessengemeinschaft Herdenschutz plus Hund aus Aken sowie vom Wolfskompetenzzentrum aus Iden bei Stendal sind vor Ort gewesen und haben die Vierbeiner einem Wesenstest unterzogen.

Neben dem Beherrschen der Grundkommandos wie Sitz oder Platz, müssen die Hunde zum Beispiel deutlich unter Beweis stellen, dass sie eine Herde im Notfall schützen und Neugierige am Übersteigen des Koppelzaunes hindern können.

„Sie dürfen zwar zeigen, dass sie auf der anderen Seite des Zauns der Boss sind, aber nicht beißen“, so Seide, der seit dem Einsatz der vierbeinigen „Bodyguards“ zwar keine schlaflosen Nächte wegen ständiger Wolfsangriffe auf seine Herde mehr gehabt hat, doch der „Hunde-Tourismus“ ebbt einfach nicht ab. „Das sind keine Kuscheltiere und lassen sich von Fremden nicht streicheln.“

Lammzeit rückt näher

Auf den insgesamt 90 Hektar großen Weideflächen in der Glücksburger Heide stehen Tiere der Rassen Heidschnucken sowie Rhön- und Schwarzkopfschafe. Im März ist Lammzeit. Seide geht davon aus, dass fast 100 Prozent der Mutterschafe trächtig sind. Die Arbeit haben zwei Böcke im Oktober 2020 erledigt.

Der Schäfer betont, dass er nicht aufgeregt ist. Bei über 40 Jahren Berufserfahrung schleicht sich eine gewisse Routine ein. In der Ausbildung, sagt er, wird man auch als Geburtshelfer geschult. Fast alle Mutterschafe bringen ihre Lämmer jedoch ohne fremde Hilfe zur Welt.

Im vergangenen Jahr hat Seide lediglich einmal Hebamme spielen müssen. Es macht seiner Meinung einen großen Unterschied, ob die Tiere im Stall oder im Freien gehalten werden. Auf den Weideflächen sind sie ständig in Bewegung, daher läuft die Geburt komplikationsloser ab.

Der Schäfer arbeitet nach wie vor an einer reinrassigen Heidschnuckenzucht. 2018 und 2019 haben ihm zwar die Wölfe einen Strich durch die Rechnung gemacht - der Prettiner hat alle Rassen zusammen auf eine Koppel gestellt -, doch 2020 sind die Böcke gezielt zum Einsatz gekommen. Seide erzählt, dass ein Mutterschaf nach 150 Tagen Tragezeit eins bis drei Lämmer auf die Welt bringt. Einen Schnitt von 1,5 wertet er als Erfolg.

Der Wolf hat sich in den vergangenen Wochen nicht blicken lassen. Da der 62-Jährige Kontakt „mit der Jägerschaft in der Region“ hält, weiß er, dass Isegrim den Standort Glücksburger Heide nicht verlassen hat. Früher habe er Nächte im Auto zugebracht, um bei einem möglichen Angriff vor Ort zu sein, inzwischen halten die nachtaktiven Pyrenäenberghunde Wache - mit Erfolg! „Ständig auf der Lauer liegen, würde mich verrückt machen.“ Er kennt Berufskollegen, die sich aus finanziellen Gründen keine Hunde leisten können und somit ständig in Sorge leben.

Hilfe unter Berufskollegen

Der milde Winter bis zum Wochenende hatte auch seine guten Seiten. Futter stand reichlich zur Verfügung. Seide erzählt, dass er einem befreundeten Schäfer bei Gerbisbach eine Fläche überlassen hat, dessen vorherige Pachtfläche nicht die Qualität an Grünzeug geboten hat. Unter Kollegen stehe man ständig in Kontakt. Er nennt das „gut vernetzt“.

Trotz Lockdown hat der Tierfreund nicht den Mut verloren, dass es 2021 wieder bergauf geht. Die Menschen, die früher als Spaziergänger oder Radfahrer unterwegs gewesen sind, bleiben jetzt zu Hause. Wenn sich mal einer verirrt, dreht sich das Gespräch meist um Corona mit allen Nebenwirkungen.

Nach zwei Absagen 2020 hat sich Seide entschlossen, 2021 mit der Ausrichtung des Vieh- und Bauernmarktes den nächsten Versuch zu wagen. „Die Menschen sehnen sich nach Festen“, schätzt er ein.

Sechster Vieh- und Bauernmarkt

Am 8. Mai soll der sechste Vieh- und Bauernmarkt auf dem Gelände in Zwuschen über die Bühne gehen. Wenn es die dann geltenden Corona-Bestimmungen zulassen. Im vergangenen Jahr ist die Veranstaltung nach zwei Absagen im Mai und September ins Wasser gefallen. Bis 2019 haben jährlich zwischen 2.000 bis 3.000 Leute den Markt besucht.

Der Organisator erzählt, dass er die Händler lediglich vorinformiert hat. Er habe noch keine Zusagen eingefordert, dies gebe die aktuelle Lage nicht her. Am Motto wird nichts geändert, die Schafzucht bleibt zentraler Schwerpunkt. Zuschauermagnet Nummer eins ist die Schafschur.

Das kleine Volksfest auf der 2.500 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche ist von 9 bis 16 Uhr geplant. Parkplätze sind vorhanden. Gegenüber dem Eingangsbereich können Menschen, die im Besitz eines Schwerbeschädigtenausweises sind, ihr Auto abstellen. (mz)

Reinrassige Heidschnucken züchtet der Schäfer aus Prettin. Für alle Mutterschafe seiner Herde beginnt im März die Lammzeit.
Reinrassige Heidschnucken züchtet der Schäfer aus Prettin. Für alle Mutterschafe seiner Herde beginnt im März die Lammzeit.
Thomas Tominski
Die Burenziegen suchen sich separate Stellen zum Fressen.
Die Burenziegen suchen sich separate Stellen zum Fressen.
Tominski
Pyrenäenberghund „Artus“ hat alle Prüfungen bestanden.
Pyrenäenberghund „Artus“ hat alle Prüfungen bestanden.
Tominski