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Maßnahmen gegen Schädlingsbefall Unerträgliche Raupenplage im Jessener Land: Anwohner fordern Maßnahmen gegen Schädlinge

In Jessen herrscht Ausnahmezustand: Eine massive Raupenplage von Eichenprozessionsspinner und Goldafter bedroht die Gesundheit der Bürger, die nun konkrete Maßnahmen vom Land fordern.

Von Frank Grommisch Aktualisiert: 25.03.2024, 12:27
Raupenplage im Jessener Land: Die nächsten großen Fraßschäden durch Goldafter-Raupen drohen.
Raupenplage im Jessener Land: Die nächsten großen Fraßschäden durch Goldafter-Raupen drohen. Foto: dpa

Annaburg/Jessen/MZ. - „Es ist fünf vor zwölf“, mahnt Michael Däumichen im Stadtrat Annaburg. Der Plossiger, der zu den Initiatoren der Petition mit 3.200 Unterschriften gehört, in der von Bund und Land wirksame Maßnahmen gegen die Raupenplage gefordert werden, ist sicher, dass Magdeburg die Dringlichkeit der Problematik nicht bewusst ist.

Zwar hat sich der Petitionsausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt bereits einmal mit dem Thema befasst, ebenso der Gesundheitsausschuss. Der Umweltausschuss, in dem die Forderungen aus den hiesigen Städten ebenfalls Thema waren, fühlt sich nicht zuständig, hatte dessen Vorsitzende Kathrin Tarricone (FDP) gegenüber der MZ mitgeteilt.

Unterschätzen die Behörden die Raupenplage im Jessener Land?

So der Stand bislang. Der Petitionsausschuss hat erklärt, dass er dieses Thema noch nicht abschließend beraten hat, es werde also noch mal in einer der nächsten Sitzungen aufgerufen.

Michael Däumichen hat einen Zwischenbericht zur Petition aus der Landeshauptstadt in die Beratung in Annaburg mitgebracht. Dieser Bericht enthalte „lapidare Ausführungen“, die so nicht hinnehmbar sind, sagt der Lebiener im Annaburger Rathaus.

Aus der zitierten Stellungnahme der Landesregierung geht neben anderem hervor, dass „für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln keine pflanzen- und waldschutzrechtliche Grundlage besteht. Ein Einsatz von Biozidprodukten gegen den Eichenprozessionsspinner sei möglich und werde in Sachsen-Anhalt vielerorts realisiert.“

Kampf gegen Goldafter: Chemiekeule ist keine Option

Zur Bekämpfung von Goldafter und Schwammspinner fehle es allerdings an zugelassenen Produkten. „Dem Anliegen der Petition, einer mehr oder weniger flächendeckenden beziehungsweise großmaßstäblichen Regulierung der Populationen von Eichenprozessionsspinner, Goldafter und Schwammspinner durch den Einsatz chemischer Bekämpfungsverfahren, kann zusammenfassend daher leider nicht gefolgt werden.“

Zudem sei die Anwendung chemischer Mittel zur Bekämpfung von der Raupen „auch immer mit negativen Auswirkungen auf Nichtzielarten verbunden und scheidet damit als Managementmaßnahmen des Naturschutzes aus.“ Die Präparate würden gegen Raupen aller Schmetterlingsarten wirken sowie auf Larven einiger weiterer Insektenarten.

Hier wird am Ortsrand von Rade vor den Gefahren durch die Raupen gewarnt.
Hier wird am Ortsrand von Rade vor den Gefahren durch die Raupen gewarnt.
Fotos: Grommisch

Die Einreicher der Petition erhalten noch den Hinweis, sich hinsichtlich der Zulassung von Bioziden an die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zu wenden, um dort die Zulassung neuer Bekämpfungsmittel anzuregen. Wie lange so ein Prozess dauern würde, dazu gibt es in dem Zwischenbericht keine Aussage.

Natürliche Feinde anlocken: Können Blühwiesen die Raupenplage eindämmen?

Der Druck auf die Verantwortlichen müsse erhöht werden, sagt Michael Däumichen. Es sollten auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Sepp Müller und der CDU-Landtagsabgeordnete Siegfried Borgwardt, die sich mit Nachdruck für das Behandeln der Petition in Magdeburg eingesetzt hatten, weiter einbezogen werden, damit sie wissen, wie wenig daraus bislang geworden ist.

Der Lebiener erwähnt neben anderem die Hinweise aus Magdeburg, der Raupenplage mit dem Anlegen von Blühwiesen, dem Herausschneiden der Nester (in dem betroffenen Bereich gibt es Millionen davon) aus den Bäumen und mit dem Aufhängen von Nistkästen zu begegnen. Michael Däumichen spricht von Methoden der Urgesellschaft, die da empfohlen werden. Es gebe keine Vogelpopulation, die es schaffe, diese ganzen Raupen aufzufressen.

Eichenprozessionsspinner und Goldafter können Gesundheit gefährden

Andererseits ist weithin bekannt, und das wird auch im Zwischenbericht angeführt, dass die Goldafterraupe ebenso wie die des Eichenprozessionsspinners über Brennhaare verfügt, die aus einer spaltförmigen Öffnung ein Nesselgift freisetzen, das zu allergischen Reaktionen führen kann.

In extremen Fällen könne es zu Atemstörungen, Fieber und Augenreizungen kommen. Hierfür sei die Gefahr im Mai und im Juni am größten. „Da die Wirksamkeit der Brennhaare über mehrere Jahre anhält, können diese auch bei Pflegearbeiten, zum Beispiel Gehölzschnitt, Mahd oder Laubrechen, erhebliche Probleme bereiten.

Die massenhafte Vermehrung des Goldafters kann zu ernstzunehmenden gesundheitlichen Gefahren führen.“ Doch diesen Gefahren müsse vor Ort von den Kommunen bzw. den Grundstückseigentümern begegnet werden.

Raupenplage sollte Chefsache werden

Michael Däumichen ist der Ansicht, dass Annaburgs Bürgermeister Stefan Schmidt das Thema zur Chefsache machen sollte, auch einen Krisenstab schlägt er vor. Aus seiner Sicht sei es dringend erforderlich, mit Verantwortlichen einen Termin vor Ort anzuberaumen, etwa im Mai, um ihnen die Problematik anschaulich deutlich zu machen.

Stefan Schmidt erklärt, dass er ebenfalls den Eindruck hat, dass bislang das Raupenproblem in seiner Schwere noch nicht erkannt worden ist. Annaburg stehe zu diesem Thema auch im Austausch mit der Stadt Jessen, in der ebenfalls etliche Ortsteile von massivem Raupenfraß bedroht sind.

Die beiden Städte müssten jetzt bei den Forderungen nachlegen, meint Michael Grafe (Interessengemeinschaft für Feuerwehr und Bürgerwohl). Den Zwischenbericht bezeichnet als Taktik zur Verzögerung. Er spricht auch von einer Missachtung der Bemühungen in den beiden Städten.

Schädlingsbefall im Jessener Land wird jedes Jahr größer

Der Schädlingsbefall habe sich von Jahr zu Jahr erhöht. Und die Nester herauszuschneiden, sei nicht zu schaffen. Zumal dann einige Bäume zwischenzeitlich sauber seien, aber die Raupen wieder von links und rechts kommen.

Er schlägt vor, dass dieses Thema Raupenplage in der nächsten Annaburger Haupt- und Finanzausschusssitzung Thema sein sollte, um zu erfahren welche Initiativen es in der Zwischenzeit gegeben hat.

Einen weiter andauernden Befall könne den Menschen und vor allem den Kindern nicht zugemutet werden, äußert Micheal Däumichen. Als ein Ziel benennt er eine Ausnahmegenehmigung für das Bekämpfen der Raupen.

Der Gesundheitsausschuss des Landtags befasst sich am 3. April erneut mit der Petition.