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Sumy-Hilfe Polizei eskortiert Kleinbusse - Hilfsgüter aus Kreis Wittenberg kommen in Ukraine an

Nachdem der 2020er Transport wegen Corona ausfallen musste, bringen vier Fahrer mit zwei Autos nun wieder Hilfsgüter in die Nordost-Ukraine (Teil 1).

Von DETLEF MAYER Aktualisiert: 02.11.2021, 09:34
Andreas Hegner (links) von der Wichern Diakonie Frankfurt (Oder) und Sergej vom Sumyer Kindergarten 34 beim Ausladen der Spenden.
Andreas Hegner (links) von der Wichern Diakonie Frankfurt (Oder) und Sergej vom Sumyer Kindergarten 34 beim Ausladen der Spenden. Foto: Detlef Mayer

Jessen/Seyda/MZ - „Deutsche Freunde, ihr werdet sehnsüchtig erwartet! Bitte kommt!“ Das ließ Sergej Saposchnikov im Vorfeld der jüngsten Spendentour des Förderkreises Sumy-Hilfe in den knapp 2.000 Kilometer entfernten Nordosten der Ukraine wissen. Der Vorsitzende des Elternvereins geistig behinderter Kinder „Felicitas“ in Sumy bezog das „sehnsüchtige Erwarten“ keineswegs nur auf die materielle Unterstützung, die mit jedem Konvoi aus Deutschland seit fast 30 Jahren in die 400.000-Einwohner-Stadt rollt. Mindestens ebenso wie auf Rehabilitationsmittel, Bekleidung für Bedürftige sowie Verbrauchsmaterialien für das Förderzentrum von „Felicitas“ (Schule mit bis zu 20 Kindern, elf daheim betreute Schützlinge plus Miniwerkstatt mit sechs jungen Beschäftigten) und für den integrativen Kindergarten 34 mit angeschlossener Grundschule zielte Sergejs Äußerung auf den stets herzlichen persönlichen Kontakt zwischen Freunden ab.

Kontakt wichtig für Motivation

Der nämlich ist - und in Corona-Zeiten ganz besonders - wichtig für die Motivation, im gemeinsamen Anliegen weiter voranzukommen, die Lern- und Lebensbedingungen für Kinder mit geistigen Behinderungen und ihre Familien in Sumy und Umgebung zu verbessern. In diesem Sinne wird jeder Besuch aus Deutschland zu einem Fest für Gäste und Gastgeber. Das gilt umso mehr nach einem Jahr Zwangspause.

2020 musste der Förderkreis Sumy-Hilfe, dessen Geschichte eng mit dem Seydaer Diest-Hof verknüpft ist (hier arbeiteten die Vereinsinitiatoren Gertrud und Amund Schmidt vormals), seinen Hilfsgüter-Transport ausfallen lassen - erst zum zweiten Mal bisher. Corona machte dem Verein im vorigen Jahr einen Strich durch die Rechnung. 2014 war es der im Südosten der Ukraine ausgebrochene Bürgerkrieg, der noch immer nicht beendet ist.

Auch 2021 stand das Vorhaben, Spenden nach Sumy zu bringen, lange auf wackeligen Füßen. Bis zum Abfahrtstag wurden die neusten Maßgaben des Auswärtigen Amtes in Berlin und des ukrainischen Pendants im Internet mit bangen Blicken verfolgt. Doch letztlich fiel am 28. September der Startschuss für die bis zum 5. Oktober geplante Tour. Allerdings beschränkte sich der jüngste Hilfskonvoi auf zwei Kleinbusse, der Förderkreis wollte mit ihnen erst einmal testen, wie solch ein Vorhaben unter Corona-Bedingungen funktioniert. Außerdem konnten einige gestandene Sumy-Fahrer nicht teilnehmen, da sie nicht gegen Corona geimpft sind. Das aber ist Voraussetzung, um ohne Quarantäne in die Ukraine einreisen und ohne Verzögerungen wieder zurückkehren zu können.

So türmte sich der  Spendenberg  nach dem Entladen   der beiden Transporter im Förderzentrum von „Felicitas“ auf.
So türmte sich der Spendenberg nach dem Entladen der beiden Transporter im Förderzentrum von „Felicitas“ auf.
Foto: Mayer

Langes Warten beim Zoll

So machten sich am 28. September ein Kleinbus von der Wichern Diakonie Frankfurt (Oder), deren Mitarbeiter im Rahmen der Sumy-Hilfe schon lange eine Patenschaft zum Kindergarten 34 pflegen, und der Kleinbus, welcher dem Förderkreis dankenswerterweise erneut vom Kirchenkreis Wittenberg zur Verfügung gestellt wurde, auf den fast zwei Tage in Anspruch nehmenden Weg in die Nordost-Ukraine. Als Fahrer waren Andreas Hegner und Fred Noack aus Frankfurt (Oder) für die Wichern Diakonie mit von der Partie, den Wittenberger Kirchenkreis-Bus steuerten Sabine Hoffmann aus Elster und der Autor dieses Beitrags, Detlef Mayer aus Jessen.

Für das erste Ausrufezeichen der Tour sorgte die Grenzabfertigung bei der Ukraine-Einreise. Sie dauerte nämlich fünf und eine Viertelstunde, was eine recht lange Zeitspanne darstellt. Meist sind alle Zollformalitäten in etwa drei Stunden erledigt. Doch diesmal bremste eine „Schreibblockade“ die Sumy-Helfer. Alle Schreibkräfte der Zollstelle, vier davon gab es, erklärten, sie hätten so viel Arbeit auf ihren Tischen, dass sie nicht zusätzlich noch Papiere für einen humanitären Transport ausstellen könnten. Was zugegebenermaßen etwas mehr Aufwand mit sich bringt als das Procedere für andere Fahrzeuge. Erst nach langem Bitten und dem geduldigen Ertragen einiger Trotz-Schikanen fand sich eine Lösung. Auf dem Rückweg hingegen war die Grenze von der Ukraine zu Polen bereits nach etwas mehr als zwei Stunden Geschichte.

Corona-Ampel auf Gelb

Für das zweite Ausrufezeichen, ein positives, sorgte die Polizei im ukrainischen Lviv (früher Lemberg). Der kleine Konvoi hatte sich am Stadteingang verfahren und musste wenden. Das fiel einer Streife auf, sie stoppte die Kleinbusse. Nach einer freundlichen Klärung der Situation fanden sich die beiden jungen Beamten bereit, die Deutschen vorausfahrend durch Lemberg zu geleiten. Die Polizei, dein Freund und Helfer, kann man da nur sagen.

Das dritte Ausrufezeichen verdiente sich dann die zwischenzeitlich fast durchgehend erneuerte Provinzstraße auf den letzten 300 Kilometern bis Sumy. Sie verkürzte die Fahrzeit um mindestens eine halbe Stunde. Ebenfalls positiv erwähnt werden muss das unbürokratische, nur etwa halbstündige Procedere auf dem Zoll-Hof in Sumy selbst. Ausladen durften die Fahrer und ihre örtlichen Helfer die Ladung unbeaufsichtigt im Förderzentrum von „Felicitas“, was die Sache zusätzlich vereinfachte und für glückliche Gesichter sorgte.

Apropos Glück: An welch seidenem Faden die ganze Spenden-Mission diesmal hing, wird durch den Umstand deutlich, dass seit dem 23. Oktober die Corona-Ampel für Sumy auf Rot gesprungen ist, was mit weitreichenden Quarantäne-Vorgaben für Besucher verbunden ist. Zu Zeiten des Transports stand besagte Ampel auf Gelb, nach Grün die erste Steigerungsstufe auf der Gefahrenskala. Zwischen Gelb und Rot gibt es in der Ukraine noch Orange.

Hier geht's zu Teil 2 der Reihe.

Der Autor des Beitrages war bis zum Ruhestand Redakteur in der Jessener MZ-Redaktion und bis vor kurzem Vorsitzender des Fördervereins „Sumy-Hilfe“, dessen Spendentouren traditionell auch von vielen Menschen aus dem Jessener Land unterstützt werden.