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Pilzberater Wittenberg Pilzberater Wittenberg: Mythos und Wahrheit

Von Ute Otto 12.10.2013, 09:16
Speisepilze sind hingegen die Nelken-Schwindlinge (Suppenpilze).
Speisepilze sind hingegen die Nelken-Schwindlinge (Suppenpilze). Bernhard Klepel Lizenz

Wittenberg/Trebitz/MZ - Milde Temperaturen und Regen - da schießen die Pilze aus dem Boden. Dass fleißig gesammelt wird, beweisen die gut gefüllten Waldparkplätze in der Dübener Heide wie im Fläming. Aber obwohl der Kreis Wittenberg einer der waldreichsten Kreise im Land ist und ebenso reich an Pilzpfründen, sind beim Veterinäramt nur zwei Pilzberater geführt: der Bad Schmiedeberger Hendryk Kröber und der Schkönaer Gerd Scholz.

Es gibt aber noch einen Dritten: Peter Hildebrandt in Trebitz. Der 42-Jährige ist nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) als Pilzsachverständiger geprüft und als Pilzberater zugelassen. Er ist Mitglied einer Arbeitsgemeinschaft in Thüringen, um den Kontakt zu Pilzfreunden dort aufrecht zu erhalten. In der Liste der Pilzsachverständigen Sachsen-Anhalts ist sein Name nicht zu finden, da er zurzeit dort nicht Mitglied ist. Er erwägt aber, dem Verband beizutreten.

„Ich bin ein naturliebender Mensch mit Interesse an der Botanik“, erzählt Hildebrandt. „Ich wollte einfach wissen, was da so im Wald wächst.“ So sei er, beruflich Handwerker, auf die Mykologie gekommen. Sein Hobby betreibt er sehr akribisch.

Vor seinem Haus in der Wittenberger Chaussee hat Hildebrandt einen Schaukasten mit präparierten Pilzen eingerichtet. Und Pilzsucher, die Fragen haben, ihn aber nicht zu Hause antreffen, können das fragliche Exemplar ihres Fundes in einem Kästchen ablegen, samt Telefonnummer. „Dann rufe ich zurück“.

MZ-Redakteurin Ute Otto bat Peter Hildebrandt, über den Wahrheitsgehalt bestimmter Behauptungen über Pilze Auskunft zu geben.

Im Wald darf man überall Pilze sammeln und soviel man will.

Stimmt nicht. Es gibt sehr wohl Einschränkungen: Im Naturschutzgebiet darf grundsätzlich nicht gesammelt werden, auch nicht in abgesperrten Bereichen. Und es darf nur für den Eigenbedarf gesammelt werden - in angemessener Menge, nicht für den gewerblichen Bedarf. Für Arten, die auf der Roten Liste stehen, gilt sogar Sammelverbot.

An der blauschwarzen Verfärbung eines Silberlöffels im Pilzsud oder einer mitgekochten Zwiebel kann man Giftpilze erkennen.

Das ist Aberglaube. Der Silberlöffel verfärbt sich nur bei stark schwefelhaltigen Pilzen. Die meisten Gifte in Pilzen sind geruchs- und geschmacklos. Sichere Artenkenntnis ist Voraussetzung, um Pilze unterscheiden zu können. Pilze, die man nicht kennt, isst man nicht - das sollte für jeden Sammler die Grundregel sein.

Der Fliegenpilz ist gar nicht giftig, er ist nur berauschend.

Stimmt nicht. Mit Ibotensäure, Muscimol, Muscazon und wenig Muskarin enthält der Pilz einen ganzen Cocktail an Giften. Eine Überdosis kann durchaus zum Tode führen.

Es gibt Rezepte, mit denen das Gift aus Pilzen „herausgekocht“ werden kann.

Das ist zu allgemein. Es gibt Speisepilze, die roh giftig sind. Dazu gehören Hallimasch und auch der Steinpilz. Durch Wärme oder Trocknung werden giftige Bestandteile dann zerstört. Eben deshalb sollten Pilzmahlzeiten immer 15 bis 20 Minuten durcherhitzt werden. Aber klassische Giftpilze kann man nicht entgiften.

Es gibt Pilze, die hierzulande essbar sind und anderswo giftig.

Das gibt es tatsächlich. Ein Beispiel dafür ist der Grünling. Der zur Familie der Ritterlinge gehörende Pilz galt bis vor gut zehn Jahren noch als essbar. Nachdem es in Frankreich zu Vergiftungserscheinungen - eine Art Muskelschwäche - nach solchen Pilzmahlzeiten gekommen war, wurde er auch in Deutschland als giftig eingestuft.

Zum Pilzgericht darf man keinen Alkohol trinken.

Das ist nicht grundsätzlich so. Tatsächlich gibt es Pilze, deren Inhaltsstoffe Wechselwirkungen mit Alkohol haben. Beim Faltentintling oder beim Hexenröhrling etwa ist es das Coprin, das den Abbau von Alkoholbestandteilen im Körper hemmt, so dass es noch Stunden später zu Vergiftungssymptomen kommen kann wie etwa Hitzegefühl, Rötungen der Haut, Schweißausbrüche, Kopfschmerzen und Schwindel. Bei den gängigsten Speisepilzen wie Steinpilzen, Maronen, Champignons und so weiter kann man Wein oder Bier zur Mahlzeit genießen.

Ein Blickfang, aber giftig: der Fliegenpilz
Ein Blickfang, aber giftig: der Fliegenpilz
Bernhard Klepel Lizenz
Ebenfalls giftig: der Karbol-Champignon
Ebenfalls giftig: der Karbol-Champignon
Bernhard Klepel Lizenz
Auch der Grünblättrige Schwefelkopf ist nicht zu genießen.
Auch der Grünblättrige Schwefelkopf ist nicht zu genießen.
Bernhard Klepel Lizenz