Offener Garten in Prettin Offener Garten in Prettin: Ein Gedicht von einem Garten

Prettin - Einige Schritte hinter dem Eingang zum Grundstück lockt ein üppig blühender Perlmuttstrauch. Es scheint, als würden seine flaumigen Zweige die Besucher heranwinken. Ich lasse mich locken, überlege aber noch, wie viel Zeit ich für die Besichtigung des offenen Gartens von Familie Ebermann in Prettin habe. Doch dieser Gedanke entschwindet im Anblick der Blütenpracht. Sie wirkt, als hätte ein Maler ihre roséfarbenen Nuancen lustvoll mit zartem Pinsel aufgetupft. Sylvie Ebermann begrüßt jeden einzelnen Besucher. Sie freut sich, dass der Aktionstag „Offener Garten“ schon seit dem Morgen rege angenommen wird.
Auf geschwungenen Pfaden ins Gartenreich
Am Perlmuttstrauch – auch Kolkwitzie genannt – führen links und rechts geschwungene Pfade ins Gartenreich. Auf etwa 700 Quadratmetern offenbart sich Ebermanns irdisches Paradies. Die unterschiedlichen Pflanzen bilden ein Ambiente, das in seiner Gesamtheit wie ein Gemälde von Renoir oder Monet wirkt. Markante Gehölze setzen Blickpunkte: Hartriegel, Ginkgo, Amberbaum, Etagenhartriegel. Die vielen Grüntöne spielen mit Licht und Schatten. Sie umranken blumige Farbtupfer und geben auf Schritt und Tritt Überraschungen preis. „Sprechende“ Steine zum Beispiel: „Im Garten wächst mehr, als man ausgesät hat“, steht auf einem geschrieben, und die Lesenden murmeln wissend: „Wie wahr, wie wahr!“ Ein entzückendes Windspiel aus vier verkehrt herum aufgehängten Mini-Tontöpfen dient als lyrischer Wegweiser: „Dumme rennen, Weise warten, Kluge gehen in den Garten!“ Lauschige Ruheplätze gibt es gleich mehrere. Ebermanns haben sich durch Bücher und auf Reisen vom Stil englischer Cottage-Gärten inspirieren lassen: Nostalgisch wirken begrünte verwitterte Mauern, wie etwa der drei Meter hohe Schornstein an der Gartengrenze. Eine Kletterhortensie hat ihn zu einer blühenden Säule verwandelt. Hecken, vor allem auch der langsam wachsende Buchs, markieren unterschiedliche Bereiche. Alles dauert, gedeiht – oder vergeht – in eigenem Tempo. Die Gärtner greifen nur behutsam ein. Wolfgang und Ilona Bethig aus Torgau sind berührt von einem Spruch, der auf einem Schieferherz geschrieben steht: „Ahme den Gang der Natur nach. Ihr Geheimnis ist Geduld.“
In diesem Sinn hat Sylvie Ebermann mit Bedacht mehrere Stauden im Umfeld der Rosen arrangiert: Spornblume, Storchenschnabel, Frauenmantel, Glockenblume, Akelei, Lichtnelke, mazedonische Witwenblume. Einige Schritte weiter thront zwischen wildem Wein und Efeu eine steinerne Elfenfigur in geruhsamer Pose. Entlang der Wege hat sie kleinere Schwestern, die ein Stück Gartengeschichte erzählen. Sylvie Ebermann erklärt: „Ich habe diese Winzlinge aus Flutholz zusammengesetzt.“ Sie erinnern an 2002, als wir für mehrere Monate unser Zuhause verlassen mussten.
Alles in allem hat es insgesamt 22 Jahre und unzählige Stunden Arbeit gebraucht, bis der Garten in sein heutiges Antlitz gewachsen ist – und er wird sich weiter verändern. Maike Poggendorf und ihr Partner Holger Neumann aus Beilrode sind nicht die einzigen, die häufig die Kamera zücken. „Nachmachen ist erlaubt“, hatte die Gastgeberin bestätigt. Etwas erstaunt liest die Besucherin den Spruch: „Trau keinem Garten, in dem kein Unkraut wächst“. Sie bemerkt: „Da muss ich mal drüber nachdenken!“
Zinkwanne mit Kräutern bepflanzt
Lediglich Gemüsebeete sucht man bei Ebermanns vergebens: „Das hat keinen Sinn, dazu gibt es zu viel Schatten“, erklärt die Hobbygärtnerin. Eine alte Zinkwanne wurde allerdings jüngst mit Kräutern bepflanzt und erlebt gegenwärtig ihre erste Erntesaison.
Sylvie Ebermann leitet die Prettiner Grundschule und bringt auch dort im Schulgarten ihr Hobby ein. Zum vierten Mal hat sich ihre Familie am Aktionstag „Offene Gärten“ beteiligt. Mehr als 120 Besucher kamen diesmal, so viele wie nie zuvor, darunter auch Hobbygärtner aus Sachsen. Für ihren „grünen Daumen“ erhielt die Gastgeberin reichlich Anerkennung.
So lange der Vorrat reichte, konnten die Gäste getopfte „Blumenkinder“ mit nach Hause nehmen. „Besonders gefreut habe ich mich über Einladungen, Gärten meiner Gäste zu besuchen“, sagt Sylvie Ebermann. Nicht jedes Jahr, aber vielleicht 2017, werde sie wieder an der Aktion teilnehmen. (gzn)
Vom blaugestrichenen „Cottage“ (Garten-Häuschen) werden Gäste magisch angezogen. Daran prangt ein Schild: „Hier war Goethe“, liest Rosemarie Krause aus Holzdorf und staunt. Erst als sie direkt davor steht, wird ein klitzeklein geschriebenes Wort sichtbar: „Nie“! Sie lacht und bedauert. „Schade, da hat der Dichterfürst etwas versäumt. Ich diesmal nicht.“ Silke Wartke pflichtet bei. Sie hatte den kürzesten Weg zu Ebermanns: „Ich bin die Nachbarin und wollte schon oft mal vorbeischauen. Heute endlich bin ich da!“ Die meisten Gäste blieben viel länger als sie eigentlich wollten, und auch ich hatte völlig vergessen, auf die Uhr zu schauen.
