Minecraft in Seyda Minecraft in Seyda: Jugendliche planen Zukunft der Gemeinde

Seyda - Von Wittenberg aus ist Seyda in wenigen Minuten mit der U-Bahn zu erreichen. In Windeseile entsteht die U-Bahnstation, die zugleich die „Hall of fame“, Ruhmeshalle, ist für ihre Erbauer. In der Ortsmitte von Seyda angekommen, staunen die Besucher über die Sparkasse, deren Gebäude aussieht wie ein antiker Tempel, und über die Architektur des Supermarktes, die orientalische Elemente mit Moderne verbindet.
Und doch ist die Ursprünglichkeit des Städtchens nicht verloren gegangen. Da ist das Ensemble des Pfarrgartens mit der St.-Peter-und-Paul-Kirche und der prächtigen Luthereiche davor, wohin man durch den barocken Torbogen gelangt. Und noch immer herrscht in Seyda Landwirtschaft vor, Kühe und Pferde weiden auf den Wiesen, auf dem Acker werden Möhren, Kartoffeln und Kohl angebaut.
Ersatz fürs Zeltlager
Mit dem Computerspiel „Minecraft“ bringen neun Kinder zwischen neun und 15 Jahren Geschichte, Gegenwart und Zukunft ihres Heimatortes auf eine Ebene und machen sie sichtbar. Pfarrer Thomas Meinhof hat die Veranstaltung zusammen mit Tobias Thiel von der Evangelischen Akademie und mit finanzieller Unterstützung des Evangelischen Kirchenkreises Wittenberg organisiert.
„Es sollte etwas sein, was die Kinder gemeinsam machen können und wobei dennoch die Abstandsregeln eingehalten werden können.“ Die Veranstaltung ist der Ersatz für die Kinderkirchentage mit Zeltlager, die in diesem Sommer wegen der Corona-Pandemie ausfallen mussten. „Wir haben die Kinder über den Gemeindebrief eingeladen“, erzählt Thomas Meinhof.
Tobias Thiel hat die Technik - Laptops, Leinwand, Beamer mitgebracht und mit dem Server verbunden. Auf der Karte von Googlemaps haben sich die Teilnehmer mit den Straßenzügen des Ortszentrums vertraut gemacht. Zum Ausgangspunkt wurde die Luthereiche bestimmt.
Ein ums andere Mal sind Kinder hinaus gelaufen, um die Entfernung zwischen Baum und Kirche oder Torbogen in Schritten abzumessen, um halbwegs im Maßstab zu bleiben. Alles wird aus virtuellen Bauelementen zusammengefügt, deren Kantenlänge in der Realität einmal ein Meter betragen würde. Menschen, für sie wird eine reale Größe von 1,80 Meter zugrunde gelegt, Tiere, Bewuchs usw. können über Tools hinzugefügt werden.
Die neunjährige Clara ist die jüngste Teilnehmerin, sie hat zusammen mit Hans ein Haus gebaut und Pferde auf die Weide gestellt. Eine Katze miaut - aber die ist leibhaftig da, schwarz mit weißen Pfoten, springt auf dem Tisch herum und fordert von den Kindern Streicheleinheiten ein. Die sind jedoch voll aufs Spiel konzentriert.
Elias (13) hat unterirdische Redstone-Leitungen verlegt, auf denen bewegen sich Fahrzeuge wie von Geisterhand. Paul betreibt die Landwirtschaft, er beliefert mit seinen Produkten den örtlichen Supermarkt. Für Leon war Minecraft völlig neu, aber er hat sich in kurzer Zeit hereingefunden. „Minecraft ist eine gute Möglichkeit, Bewusstsein für die eigene Umgebung zu schaffen“, sagt Tobias Thiel.
Sogar in der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg kam das Spiel schon in einem Projekt mit Kindern und Jugendlichen zum Einsatz. Schließlich geht es hier nicht darum, im Gegeneinander von Konkurrenten ein höheres Level zu erreichen, sondern im Miteinander etwas aufzubauen und zu verstehen.
Fortsetzung im Oktober
Pfarrer Meinhof verrät, dass hinter der Veranstaltung eine weitere Absicht steckt: für Seydas Internetauftritt Interesse zu wecken. So soll das hier erschaffene Seyda auch auf der Homepage gezeigt werden. Es geht weiter darum, das Interesse beim Nachwuchs zu wecken, die Internetseite mitzugestalten. Am 17. Oktober gibt es einen weiteren Workshop.
Eltern sind wenig begeistert, wenn ihre Kinder den ganzen Tag am Computer verbringen. „Haben wir nicht“, versichert Thomas Meinhof. „Wir machen draußen Pausen mit Bewegungsspielen.“
20 Millionen Fans von Minecraft
Der Schwede Markus Alexej „Notch“ Persson hat „Minecraft“ erschaffen. Beruflich als Programmierer tätig, begann er als 30-Jähriger 2009 das Spiel als kleines Privatprojekt zu entwickeln, zwei Jahre später gründete Persson als Computerspieleentwickler eine eigene Firma. Die erste Minecraft Vollversion erschien 2011. Die Zahl der Spieler weltweit wird derzeit auf 20 Millionen geschätzt.
Der Minecraft-Spieler bewegt sich in einer grenzenlosen virtuellen Welt. Diese besteht aus zumeist würfelförmigen Blöcken unterschiedlicher Gesteinsarten, die je nach Verwendungszweck und geforderten Eigenschaften ausgewählt werden. Des Weiteren stehen Gegenstände und Kreaturen sowie Technik (Schienen, Straßenverkehrsanlagen) und Anlagen wie Acker zur Verfügung. Aus vorhandenen Materialien kann der Spieler durch Handwerk neue Gegenstände schaffen. Interaktionen sind durch Verzaubern, Schmieden und Handeln möglich. (mz)


