Mehrgenerationenhaus in Jessen Mehrgenerationenhaus in Jessen: Wer wenn nicht "Wir"?

Jessen/MZ - Ihr Wunschgeschenk zum fünften Jahrestag des kultur-touristischen Mehrgenerationenhauses haben Vereinsvorsitzende Margit Mehr und ihre Mitstreiter vom „Wir“-Verein am Samstag bekommen: reichlich Besucher. Ein filigran gefertigter süßer Willkommensgruß und eine Verlosung machen Lust, das Haus vom Keller bis zum Dach zu „durchstöbern“.
Demonstration vermutet
Während eines Festempfangs erinnert Margit Mehr an die Anfänge: „Unser Verein bestand im Jahr 2008 bereits zwölf Jahre, unser Domizil in der Arnsdorfer Straße drohte, aus den Fugen zu platzen.“ Deddo Lehmann, jetzt Kurdirektor in Bad Schmiedeberg, habe den entscheidenden Tipp gegeben: Für die alte Poliklinik würden neue Mieter gesucht. „Der Eigentümer zeigte ein soziales Herz und war bereit, uns entgegenzukommen.“ Dennoch blieb die Entscheidung, das Mietangebot anzunehmen, eine schwierige: „Das Haus ist sehr groß. Können wir es finanzieren, und wer soll darüber befinden?“ Deshalb wurden alle Vereinsmitglieder im August 2008 zur Besichtigung eingeladen. Nach dem Rundgang zwischen Bauschutt, Spinnenweben und mancherlei Unrat habe es eine geheime Abstimmung vor dem Gebäude gegeben. „Ich weiß noch, dass Jessener dachten, wir würden demonstrieren“, berichtet Mehr schmunzelnd. Das Ergebnis nach dem Auszählen der Zettel war ein hundertprozentiges und Mut machendes „Ja“. „Alle Vereinsmitglieder und Kollegen halfen ab September bei der Renovierung und Umgestaltung mit, so dass wir ohne fremde Hilfe am 23. November 2008 eröffnen konnten.“
In fünf Jahren sei das Gebäude zu einer Begegnungsstätte für alle Altersgruppen und sozialen Schichten geworden. „Wir leben von Spenden und sind jedoch längst nicht mehr nur Anlaufpunkt für Bedürftige, sondern agieren für alle Bürger, die Hilfe und Unterstützung brauchen oder kreative Beschäftigung suchen. Wer, wenn nicht ,Wir’ soll sich um all das kümmern!“ Das bekräftigt auch Landrat Jürgen Dannenberg (Linke): „Ich kenne den Verein von Anfang an und war schon im Beirat, zu Zeiten, als ich noch kein Landrat war.“ Eine vergleichbare Einrichtung gebe es im Landkreis nicht, umso mehr Respekt habe er vor der Arbeit, die hier geleistet werde.
„langer Atem, Zuversicht und Kampfgeist“
Er bedauerte, keinen Scheck zum Jubiläum übergeben zu können. Mehr als ideelle Unterstützung könne der Landkreis kaum leisten: „Wir müssen als Dienstleister des Bundes unsere Pflichtaufgaben erfüllen, und die sind finanziell kaum noch zu schaffen.“ Als Beispiel nennt er die „Hilfen zur Erziehung“ für die Kinder- und Jugendhilfe: „Im Jahr 2007 waren es noch 5,8 Millionen Euro. 2014 werden es fast 13 Millionen Euro sein, die der Landkreis dafür braucht.“ Kathrin Heinl und Jeanette Gruber von der Landesgeschäftsstelle des Deutschen Landfrauenverbandes (DLV) Sachsen-Anhalt aus Magdeburg hören solche Argumente nicht nur in Jessen. Deshalb wünschen sie dem „Wir“-Verein einen „langen Atem, Zuversicht und Kampfgeist.“ Als Mitgliedsverein im DLV lebe der „Wir“-Verein das Motto der Landfrauenarbeit: die Freude am Miteinander und Füreinander. „Es kann und darf aber nicht alles auf ehrenamtlichen Schultern lasten. Das Engagement des Teams um Margit Mehr ist beispielgebend für das, was Vereinsarbeit ausmacht, zumal die Akteure ständig um Fortbildung bemüht sind“, verdeutlicht Kathrin Heinl. Beispiele dafür seien Projekte wie „Kommunikation mit der Familie“, „Heilen mit Kräutern“ und „management@home“.
Solche Seminare würden über den Landfrauenverband bezahlt und stünden allen Interessierten offen. Intensiv tauschen die beiden Magdeburgerinnen mit Gästen Erfahrungen aus und machen auf DLV-Angebote neugierig. Allerdings vermissen sie Repräsentanten der Städte Jessen und Annaburg in der Runde.
Was jedoch die Vertreterinnen der Jessener Sekundarschule Nord bekunden, lässt schier Freudentränen auf den Gesichtern der Gastgeber kullern: „Wir sind froh, dass wir den ,Wir’-Verein als Partner haben“, sagt Andrea Neumann. Sie richtet Grüße und ein Dankeschön der Schulleitung aus. Cordula Baer ergänzt: „Die zwei neuen Arbeitsgemeinschaften ,Flinke Nadel’ und ,Wollknäul’ kommen so gut an, dass ihre Teilnehmer jedes Mal bedauern, wenn die Zeit zu Ende ist. Schon jetzt fragen einige, ob es damit im nächsten Schuljahr weitergeht. Ich glaube, eine größere Anerkennung kann es nicht geben.“
Hilfe nach Caritas-Abzug
Beiratsmitglied Helga Welz lobt: „Gerade jetzt merken wir in Prettin wieder aufs Neue, wie sehr die Aktivitäten des Vereins helfen, auch örtliche Probleme zu lösen: Der ,Wir’-Verein übernimmt nicht nur die Schlossgärten von der Caritas, sondern will sie wieder so herrichten, wie sie zu früheren Zeiten ausgesehen haben. Das ist eine tolle Nachricht für alle Prettiner.“
Während jüngere Familien mit ihren Kindern vor allem die Spielräume und das neu eröffnete Spielzeugmuseum aufsuchen, finden sich einige ältere „Wir“-Vereinsmitglieder zu angeregten Plauderrunden zusammen: Ursula Krug aus Prettin, Karin Bartsch aus Jessen und Marga Scheer aus Battin sind „Kräuterfrauen der ersten Stunde“, wie sie erzählen. „Es ist schön, sich wieder mal zu erinnern, und wir drücken alle Daumen für die Zukunft. Wenn wir gebraucht werden, helfen wir auch künftig mit, so gut wir das können“, lässt Ursula Krug wissen.
