Luxusherberge für «Schwarz-Bunte»
Gadegast/MZ. - Die Seydaland GmbH und Co. KG präsentierte am vergangenen Samstag voller Stolz ihre rekonstruierte Milchviehanlage in Gadegast.
Es herrschte Volksfeststimmung. Moderne Landtechnik für die Felder wurde gezeigt, Rundfahrten mit einem Traktor, Musik und gute Laune waren angesagt. Mehr als 400 Besucher kamen. Als Gäste waren Landwirte, Flächenverpächter, Einwohner umliegender Gemeinden sowie ehemalige Mitarbeiter erschienen. Immerhin beschäftigte die vormalige LPG "Karl Marx" Seyda in der Tier- und Pflanzenproduktion bis 1 200 Mitarbeiter. Heute stehen bei Seydaland noch 180 in Lohn und Brot.
Von der alten Stallanlage in Gadegast blieben nur die Stützpfeiler und die Dachkonstruktion stehen. Auch ein Tiefsilo verschwand. Neu installiert wurde die gesamte Melkstrecke in einem eigens dafür errichteten Gebäude. Vom Vorwartehof aus werden die Tiere zum Melkstand geleitet. Er ist das Kernstück der Anlage. 36 Milchkühe gleichzeitig fahren hier Karussell, werden gemolken und danach wieder in den Stall geleitet. Elektronik und Computer dominieren fast alles. Die Tiere tragen am Fuß ein Band, Rescounder genannt. Beim Eintritt in die Melkanlage werden alle relevanten Daten des jeweiligen Rindes erfasst und im Computer gespeichert - Milchleistung, Gewicht, Fressverhalten oder eine mögliche Trächtigkeit beispielsweise. Lediglich das Anlegen des Melkzeuges wird noch manuell erledigt, alles andere geht automatisch. Einschließlich einer "Euterdusche", um Infektionen an den sensiblen "Milchfabriken" vorzubeugen.
"Das Melkkarussell AutoRotor Magnum 40 ist gegenwärtig das modernste", sagte Dr. René Rackwitz, Vertriebsdirektor Nord-Ost bei WestfaliaSurge mit Sitz in Bönen. Montiert wurde das Karussell von Mitarbeitern der Duräumat Agrotec GmbH Neupetershain, Außenstelle Gerbisbach. "Das war für unsere Mitarbeiter eine große Herausforderung, aber ich denke, wir haben sie gut gemeistert", so Hugo Homolka, Leiter der Gerbisbacher Geschäftsstelle. Ausschließlich einheimische Firmen waren es, die an der Rekonstruktion der Gadegaster Anlage beteiligt waren.
Sabine Rabe, seit 1993 Mitgeschäftsführerin und Leiterin der Tierproduktion bei Seydaland, führte die Gäste gemeinsam mit Jens Fromm, verantwortlich für den kaufmännischen Bereich, sachkundig durch die neue Anlage. Der Stall ist gut durchlüftet und durch Gaze-Gitter vor Insekten geschützt. Sollte es im Winter oder bei starkem Wind "ungemütlich" für die schwarz-bunten Holsteinrinder werden, können Jalousien an den Außenwänden aufgezogen werden. "Das ist doch kein Stall mehr, das ist ein Kuh-Hotel", bemerkte sichtlich beeindruckt ein Besucher.
Die Seydaländer haben bewusst die neuesten Erkenntnisse der Tierhaltung in ihr Objekt in Gadegast einfließen lassen. Nicht zuletzt dazu diente ein Arbeitsbesuch von Sabine Rabe auf verschiedenen Farmen in den USA. Leicht gefallen ist den Landwirten die Entscheidung zu dieser Großinvestition in Gadegast keinesfalls. "Als Bauer bekommt man heute alles andere als Zuversicht entgegengebracht. Die Agrarpolitik ist doch in Deutschland, wo der Liter Milch billiger als Mineralwasser ist, nichts als ein medienwirksamer Spielball", meinte ziemlich verbittert Jens Fromm.
Trotz allem, die gute Laune ließen sich die Anlagenbetreiber und die vielen Besucher am Samstag bei herrlichem Sommerwetter nicht verderben. Ihnen schmeckte leckerer Schweinebraten vom Holzgrill. Das Schwein hatte die hauseigene Fleischrind GmbH von Seydaland gesponsert. Es wurde gefachsimpelt und Erinnerungen ausgetauscht. Reinhard Bernhard aus Schadewalde, damals Monteur beim VEB Landtechnischer Anlagenbau Gerbisbach (LTA), konnte sich noch gut an das Jahr 1969 erinnern. Gemeinsam montierte er in Gadegast mit Kollegen eines der ersten Melkkarussells der DDR.
Neugierig beäugten die Rinder die in Foliestiefel gehüllten Besucher beim Gang durch den Stall. Was die Seydaländer von ihren Schwarz-Bunten erwarten, ist einfach nur viel Milch. Damit sollen sie ihren Liege- und Karussellplatz im "Luxushotel" abzahlen. Schließlich wurden insgesamt pro Kuh knapp 3 000 Euro in die neue Anlage investiert. Verstecken brauchen sich die insgesamt knapp 2 400 Seydaland-Rinder in verschiedenen Anlagen bis hin nach Battin keinesfalls. "Die Milchleistung liegt durchschnittlich bei etwa 10 200 Kilo pro Jahr und Tier", sagte Sabine Rabe der MZ.