Lokführer-Ausstand Lokführer-Ausstand: Streik nervt Jessener nur noch

Jessen - Die Lokführergewerkschaft GDL bläst - mal wieder - zum Streik und alle finden’s toll. Das war ein Scherz! Allerdings einer, über den die meisten Bahnfahrer nicht (mehr) lachen können. Unter den Betroffenen, welche die MZ am Mittwoch in Jessen befragte, war nur wenig Verständnis für den neuerlichen, diesmal sogar viertägigen bundesweiten Ausstand zu hören, der spätestens heute auch den Personenverkehr betrifft.
Übernachtung in Wittenberg
Es fallen zum Teil deftige Worte. Das „Ich find’s doof!“ von Kim Maria Harrer ist da noch eine der harmloseren Formulierungen. Die junge Jessenerin muss täglich nach Wittenberg zur Arbeit. Wegen der ungewissen Bahnverbindungslage bleibt sie die nächsten Tage über in der Lutherstadt. „Ich übernachte bei einem Kumpel. Am Wochenende muss ich dann sehen, wie ich nach Hause zurückkomme“, sagt sie der MZ in aller Eile auf dem Bahnsteig der Elsterstadt.
Carolin Biernath benutzt ganz drastisch das Sch....-Wort, um ihre Meinung zum jüngsten Lokführer-Ausstand auszudrücken. Sie hat ihren Sohn Felix an der Hand und kommt um die Mittagszeit gerade von der Arbeitsstelle in Piesteritz, wo sie Formalitäten wegen der Krankschreibung des Sechsjährigen regeln musste. Jobtechnisch ist sie erst am Montag wieder auf den Zug angewiesen. Für das Streikgebaren der Lokführer kann die Jessenerin keine Sympathie entwickeln. „Die kriegen bestimmt genug Geld“, meint sie und zieht zum Vergleich ihren Mann heran, der Lkw fährt und die ganze Woche für einen recht schmalen Bruttolohn auf Achse ist. „Die Lkw-Fahrer hätten sicher eher Grund zu streiken“, bekundet sie und findet in Felix sofort einen Befürworter. Die Aussicht, dass Papa mal ein paar Tage außer der Reihe zu Hause bleiben könnte, löst sichtbar Freude aus bei dem Knirps.
Mit dem Auto der Freundin
André Krüger unterrichtet seit Schuljahresbeginn Mathe und Biologie am Jessener Gymnasium, wohnt aber in Wittenberg. So ist das Pendeln per Zug nahezu ein wochentägliches Ritual für ihn. Morgens kurz vor 6 Uhr, an manchen Tagen auch gegen 7 Uhr, macht er sich auf den Weg, nachmittags geht’s zurück in die Lutherstadt. „Das klappt ganz ordentlich, wenn nicht gestreikt wird. Die Bahn ist hier recht zuverlässig“, konstatiert der 29-Jährige. Den derzeitigen Ausstand kommentiert er sehr diplomatisch: „Es wird langsam anstrengend für die Zugfahrenden, auch wenn die Streiks vorher angekündigt werden. Die Akzeptanz sinkt immer weiter.“ Klar, am Anfang habe man schon Verständnis dafür aufgebracht, dass diese Berufsgruppe ihre Interessen durchsetzen will. „Aber mittlerweile nervt die Sache nur noch.“ Einen fertigen Notfallplan für Donnerstag und Freitag hatte er am Mittwoch noch nicht. „Ich werde versuchen, das Auto von meiner Freundin zu leihen, mit dem Bus fahren oder vielleicht kann mich mein Kollege aus der Nähe von Wittenberg in seinem Pkw mitnehmen“, lauten spontan seine Überlegungen. „Beim vorherigen Streik habe ich morgens einen der wenigen fahrenden Züge erwischt, mein Kollege aber musste mit dem Taxi fahren.“ (mz)