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Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus Lichtenburg Prettin: Wie in Briefen eine tragische Liebe nachgezeichnet wird

Zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus gestalten Jessener Gymnasiasten eine szenische Lesung.

Von Klaus Adam Aktualisiert: 27.01.2025, 18:55
Der große Raum der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg in Prettin ist bis auf den letzten Platz gefüllt.
Der große Raum der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg in Prettin ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Fotos: Klaus Adam

Jessen/MZ. - „Demokratie ist kein Selbstläufer“, sagt der Wittenberger Kreistagsvorsitzende Enrico Schilling (CDU). „Sie muss gehegt und gepflegt werden. Ja, und sie muss auch verteidigt werden.“ An diesem Sonntag sagt er das als Redner auf der Gedenkstunde zum Tag der Opfer des Nationalsozialismus in der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg in Prettin. Bis auf den letzten Platz ist der große Raum besetzt.

Enrico Schilling schlägt einen gedanklichen Bogen aus jener Zeit bis in die Gegenwart. Die Bundesrepublik Deutschland habe mit dem Grundgesetz starke Mechanismen geschaffen, diese Demokratie zu schützen. Der Krieg am Rande Europas scheine von hier weit weg zu sein. Doch seien dessen Auswirkungen bis hierher sichtbar. Sorgten sie doch für zunehmende Unsicherheit und eine stärkere Polarisierung in der Gesellschaft. Umso erfreuter sehe er, wie sich junge Menschen – in der gleich zu erlebenden szenischen Lesung – mit der dunklen Vergangenheit auseinandersetzen und die Erkenntnisse in die Gegenwart tragen.

Schüler der  10. Klassen des Jessener Gymnasiums tragen den Briefwechsel Erich Wahlmanns mit seiner Verlobten vor.
Schüler der 10. Klassen des Jessener Gymnasiums tragen den Briefwechsel Erich Wahlmanns mit seiner Verlobten vor.
Foto: Klaus Adam

„Die Erinnerung darf nicht enden“, hat zuvor Gedenkstättenleiterin Melanie Engler die Intention des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zitiert, der den 27. Januar im Jahr 1996 als Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus deklarierte. Es ist der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch Einheiten der Roten Armee 1945. Die Erinnerung „muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen“, setzte sie das Zitat fort. Jedes Jahr widme sich die Gedenkstätte an diesem Tag einem anderen Aspekt aus der dramatischen Geschichte jener Zeit.

gedenken lichtenburg 27. januar
gedenken lichtenburg 27. januar
Foto: Klaus Adam

Dieses Mal haben sich Schüler des Jessener Gymnasiums im Unterricht und darüber hinaus mit dem Schicksal Erich Konrad Adolf Wahlmanns beschäftigt. Er wurde am 12. Oktober 1893 in Cottbus geboren, lebte und arbeitete im Jahr 1933 als Bilanzbuchhalter in Berlin. Als KPD-Mitglied und Betreiber einer kleinen Druckerei wirkte er unter anderem an der Herausgabe der „Roten Laterne“, einer Adlershofer Stadtteilzeitung, und anderer kommunistischer Schriften mit, erläuterte Melanie Engler zur historischen Einordnung. 1935 wurde er verhaftet.

Gedenken im Hof der  Lichtenburg
Gedenken im Hof der Lichtenburg
Foto: Klaus Adam

Im Archiv der Prettiner Gedenkstätte findet sich der womöglich vollständige Briefwechsel zwischen Erich Wahlmann und seiner Verlobten Marta Heinke. Auf dessen Grundlage verfassten die Zehntklässler gemeinsam mit Lehrerin Cosima Schmidt die szenische Lesung, die sie nun vortragen. Darin wird auf einzigartige Weise deutlich, wie eine Denunziation, vermutlich durch seinen Vorgesetzten, das Leben beider aus dem Ruder bringt. Wie beide anfangs noch hoffen, bald heiraten zu können. Und wie im Laufe der Haftzeit immer mehr die Zweifel genährt werden, die Marta schließlich das Verlöbnis auflösen lassen. Eigentlich hatte Erich Wahlmann sich nach 1933 wohl nur kritisch im Betrieb über die nationalsozialistische Regierung geäußert.