Leukämiefall Leukämiefall: Notarzt lehnt Transport von Carolin nach Leipzig ab
Holzdorf/MZ. - Nach Wochen des Aufatmens und vor allem der Genesung musste die an Leukämie erkrankte Carolin Richter aus Holzdorf vor wenigen Tagen erneut wegen akuter Beschwerden in die Uniklinik nach Leipzig. Die Art und Weise, wie sie dorthin kam, hat die Eltern aber dazu bewogen, die Geschehnisse der Mitteldeutschen Zeitung zu schildern.
Wittenberg statt Leipzig?
Das 14-jährige Mädchen, dessen Schicksal viele Leser der MZ in den vergangenen Wochen zu Spenden- und Hilfsaktionen bewegt hat, bekam in der Nacht vom 1. zum 2. August extreme Magenkrämpfe. "Sie hatte solche Schmerzen, dass sie laut schrie", berichtet Mutter Beatrice. Gegen 2 Uhr rief sie die Notrufnummer 112 und schilderte dem Diensthabenden den Zustand ihrer Tochter, sagte auch, dass sie Leukämie habe und deshalb dringend in die Uniklinik nach Leipzig müsse. Dort ist sie seit dem Ausbruch ihrer Krankheit in Behandlung. Wenige Tage zuvor hatte Carolin eine erneute Chemotherapie bekommen.
"Vor dem Notruf telefonierte ich mit der Leipziger Klinik. Dort sagte mir die diensthabende Ärztin der Kinderonkologie, dass Carolin so schnell wie möglich nach Leipzig solle", so Beatrice Richter. "Ich wäre mit ihr auch selbst gefahren, doch mir wurde dringend geraten, besser einen Krankentransport anzufordern." Die Zeit, bis dieser vor der Tür hielt - nach Aussage der Leitstelle waren es elf Minuten - schien der Familie angesichts der sich in Krämpfen windenden Tochter unendlich lang. "Wir waren sehr erleichtert, als dann der Rettungsarzt und sein Team kamen. Umso mehr, weil alle total nett, freundlich und beruhigend wirkten." Mit der Beruhigung war es dann aber mit einem Mal vorbei, als Familie Richter vom Arzt hörte, dass Carolin nach Wittenberg gebracht werden sollte. "Woandershin dürfe man nicht fahren, weil das außerhalb des Landkreises sei, hörten wir und konnten das gar nicht fassen. Ich habe nochmal Carolins Vorgeschichte geschildert und auch bekundet, dass Leipzig schon Bescheid wisse und auf sie wartet", zeigt Beatrice Richter auf.
Nach energischer Bitte der Mutter, sie doch wenigstens in die Herzberger Klinik zu fahren, weil man Carolin dort kenne und um ihre Krankheit wisse, willigte das Team ein. Mit großen Sorgen um den sich verschlechternden Zustand der Tochter fuhr ihr Vater im Krankenwagen mit. Etwa gegen 3.30 Uhr in Herzberg angekommen, wurde Carolin sofort untersucht. Die Ärztin hatte sich bereits mit der behandelnden Ärztin in Leipzig verständigt, nahm die Untersuchungen vor und veranlasste einen sofortigen Weitertransport von Herzberg nach Leipzig. "Dort wartete die Leitende Oberärztin der Kinderonlokogie, Dr. Bierbach, schon auf uns." Die schlimmsten Befürchtungen der Eltern wurden zum Glück entkräftet. Doch, "zwei Tage lang war unsere Tochter in einem sehr kritischen Zustand." Die Ärztin habe die gute Vorbehandlung in Herzberg gelobt, äußerte aber auch Unverständnis darüber, dass der Transport nicht direkt erfolgt sei, so Carolins Mutter. Nach mehr als einer Woche ist das Mädchen noch immer sehr geschwächt.
Abrechnungsfragen wichtiger?
Familie Richter ist noch immer geschockt über das Vorgehen des Rettungsdienstes in jener Nacht. Gegenüber der MZ erklärte die Pressestelle des Kreises, der Träger des Rettungsdienstes ist: "Bei einem Einsatz entscheidet die Einsatzleitstelle auf der Grundlage der beim Notruf gewonnenen Erkenntnisse über die Art und die Anzahl der einzusetzenden Rettungsmittel. Werden, wie in diesem Fall dargestellt, Notarzt und Rettungswagen eingesetzt, entscheidet der Notarzt vor Ort über die Behandlung und den weiteren Transport des Patienten in das nächst gelegene geeignete Krankenhaus." Nach Meinung der Kreisverwaltung wäre es aufgrund von Abrechnungsfragen ratsam gewesen, wenn die Leipziger Klinik selbst den Krankentransport eingeleitet hätte.
"Mich packt die Wut, wenn ich höre, dass bürokratische Befindlichkeiten Schuld daran sein sollen, dass meine Tochter nicht auf dem schnellsten Weg nach Leipzig kam", kommentiert Beatrice Richter und appeliert für die Zukunft: "Ich hoffe, dass andere akut Erkrankte nicht auch solche Ängste erleben müssen."