Kreisbauerntag in Jessen Landwirte des Kreises Wittenberg formulieren Erwartungen an die neue Regierung
Kreisbauernverband Wittenberg formuliert auf Mitgliederversammlung in Jessen seine Erwartungen an die künftige Politik. Was im Einzelnen gesagt wird.

Jessen/MZ. - Ganz klar, dass die Ergebnisse der Bundestagswahl am vergangenen Wochenende auch den Kreisbauerntag bestimmen. Das Interesse der Mitglieder ist groß. Der Saal des Jessener „Schützenhauses“, der traditionellen Tagungsstätte des Kreisbauernverbandes Wittenberg, ist gut gefüllt. Zumal bei diesem Treffen auch die turnusmäßige Neuwahl des Vorstandes ansteht, die aller vier Jahre auf dem Programm steht (siehe auch „Mitglieder haben neuen Vorstand gewählt“). Die jüngst erlebten Wahlen werden auch deshalb mehrfach thematisiert, weil sich die Landwirte von der neuen Regierung einen grundlegenden Politikwechsel erwarten.
Ernte 2024im Jessener Land nicht sehr üppig ausgegangen
Der alte und wiedergewählte Vorsitzende der Kreisbauernschaft, Ralf Donath, formuliert das Anliegen so: „Die neue Bundesregierung steht vor der wichtigen Aufgabe, den Menschen in unserem Land wieder Zuversicht zu geben. Dafür braucht es eine deutliche Veränderung in der Art und Weise, wie Politik gestaltet wird: Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus und verlässliche politische Rahmenbedingungen für alle wirtschaftlichen Akteure.“
Unterstützung erhält er von Landrat Christian Tylsch (CDU), dem das „ritualhafte Taktieren der Volksparteien“, das gleich nach der Wahl einsetzte, zuwider ist. Das erklärt er sehr deutlich. Auch er sieht den Wahlausgang als „Warnschuss, dass sich nun wirklich etwas bewegen muss“.
Ralf Donath erinnert in seinem Bericht zunächst an die bundesweiten Bauernproteste zu Anfang vergangenen Jahres, in denen die Landwirte bereits einen „echten Bürokratie- und Überregulierungsabbau“ gefordert haben. „Ob CO2-Steuer, Streichung des Agrardiesels oder Gasspeicherumlage bei der ansässigen Düngemittelindustrie – hier muss eine verantwortungsvolle Regierung endlich die Kostenspirale zurückdrehen“, fordert Ralf Donath.
Er nimmt noch einmal zum vergangenen Erntejahr Stellung. Die Hoffnung, nach den Trockenjahren seit 2018 würde die Ernte 2024 üppiger ausfallen, habe sich nicht bestätigt. Die Getreideernte fiel „wieder nur durchschnittlich“ aus. Einen Grund dafür macht er in stringenten Vorschriften in der Düngung sowie im Wegfall wichtiger Pflanzenschutzmittel aus, „die Erträge und Qualitäten bei den Druschfrüchten und bei Raps erheblich“ mindern. Dazu hätten geringere Markterlöse für Qualitäts- und Futtergetreide „bei uns Landwirten für Unmut und Frust“ gesorgt.
Zu diesem Preisverfall hätte die Überflutung des Marktes mit billigem Weizen aus Russland und der Ukraine beigetragen. „Was jedoch nicht gesunken ist, sind die hohen Kosten für Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, Diesel und Energie“, so der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes. Bedarfsgerechte Düngung und effizienter, pragmatischer Pflanzenschutz seien und blieben Kernforderungen des Berufsstandes.
Positiv bewertet Donath die Entwicklung der Milchpreise im Jahr 2024. Allerdings sei die Zahl der Milcherzeuger in den vergangenen zehn Jahren um zwölf auf nur noch 25 gesunken.
Tierseuchen belasten Unternehmen
Mit der Blauzungenkrankheit und der in Brandenburg ausgebrochenen Maul- und Klauenseuche seien weitere Herausforderungen auf die Tierhalter zugekommen, da von einem Tag auf den anderen wichtige Exportmärkte für Fleisch- ud Milchprodukte weggebrochen seien.
Viele dieser Faktoren zusammengenommen hätten dazu geführt, dass „die Investitionsbereitschaft unserer Betriebe extrem zurückhaltend“ ist. Bezüglich der von Ralf Donath angesprochenen Tierseuchen gibt später der Kreistierarzt Thomas Moeller einen chronologischen Abriss und appelliert an die Landwirte, die Tierseuchensituation in ihren Betrieben zu prüfen und anzupassen.
Landrat: Diskrepanz zwischen Stadt und Land
Landrat Christian Tylsch nimmt in seinem Grußwort die von Donath angesprochenen Bauernproteste noch einmal auf. Jetzt säßen die potenziellen Koalitionäre zusammen, um sich zu finden. „Ich kann nur dazu aufrufen, seien Sie als Landwirte noch viel lauter, um gerade in den Koalitionsgesprächen ihre Forderungen anzubringen“. Er habe die Landwirte kennengelernt als Unternehmer, die Neuem gegenüber aufgeschlossen seien. Die von Donath formulierten Forderungen unterstützt er weitgehend.
Tylsch geht auch auf das Ungleichgewicht zwischen Städten und Dörfern ein. Die urbanen Gebiete profitierten deutlich mehr etwa vom Deutschland-Ticket, dafür werde am Öffentlichen Nahverkehr auf dem Lande gespart. Auch den Energiewandel müsse der ländliche Bereich ausbaden durch Photovoltaik-Flächenanlagen und Windparks. Auch die Digitalisierung sei wichtig und könne sich nicht nur auf das elektronische Ausfüllen von einzelnen Formularen reduzieren. Aber da benötige die Verwaltung auch die Expertise der Betroffenen. „Sie sind die Praktiker und wissen, was wirklich gebraucht wird“, so der Landrat.
Deutliche Worte äußert auch der Vizepräsident des Landesbauernverbandes, Sven Borchert. „Wir haben uns nicht nur laut gemacht, sondern auch stark“, nimmt auch er den Faden zu den Bauernprotesten vom Januar 2024 auf. Dass das Wolfsmanagement angepasst wurde, sei ein Erfolg. Pflichten zur Wiedervernässung von Moorböden seien zurückgenommen worden. „Das wäre schlimmer geworden, als die Düngeverordnung, die wir heute haben.“
Auch die Forderungen zum Nachweis der Stoffstrombilanz müssten noch zurückgenommen werden. In der EU fordere das niemand mehr. In Deutschland sei das Gesetz angesichts der Zeit nicht mehr durch den Bundesrat gegangen. Was bedeute, alle Gesetze, die vom Bundesrat hätten verabschiedet werden müssen, müssten in der neuen Legislaturperiode erneut behandelt werden. Mit der Folge, dass „wir momentan eine Stoffstrombilanz erstellen müssen, die keiner mehr will und keiner mehr kontrolliert“.