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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Schwalbennester erwarten Glücksvögel

Von EVELYN JOCHADE 21.03.2012, 18:47

LISTERFEHRDA/SCHWEINITZ/MZ. - Es ist früh am Morgen. Die Märzsonne wärmt noch nicht richtig und der Sprössling auf dem Arm seines Papas ist dick eingemummelt. Eifrig lässt er die mitgebrachten Gläser in den dafür vorgesehenen Container fallen. "Wir helfen der Oma Heidrun beim Frühjahrsputz", erzählt Christian Richter. Lukas-Maximilian (vier) nickt und greift nach der nächsten Flasche. Das knallt so schön. Aus Dannigkau in der Nähe von Zerbst seien sie hergekommen und der Kleine fühle sich bei Oma Hoffmeister in Listerfehrda immer so wohl.

Wohl fühlen sich auch die Vierbeiner in Schweinitz. Doch das Wild ist hungrig. Gerd Fischer hat ein Herz für die schönen Geweihträger und ihre Damenschar und bringt, wie es mehrere Einheimische tun, ihnen immer mal was Leckeres vorbei. Heute gab es bei Fischers Wirsingkohl. Da ist einiges übrig geblieben und wird nun laut schmatzend oder dezent kauend im Gatter verspeist.

Einige Meter weiter geht es im Garten von Lothar Gießmann und seiner Frau Gundela rund. Die Hecke wird geschnitten. Während der Hausherr schneidet, sammelt sie den Rückschnitt in einen Korb. Hand in Hand geht das. Und während die elektrische Heckenschere rattert, mahnt Gundela Gießmann ihren Gatten zur Vorsicht, denn der fiel neulich von der Leiter und musste gleich mal ins Krankenhaus. Zum Glück war nichts Ernstes passiert, aber ein Warnschuss war es doch. Vorsicht ist also geboten bei der Arbeit im Grünen. Das gilt bereits beim Platzieren der Leiter, denn wer will schon die hübschen kleinen Krokusse und Schneeglöckchen beschädigen, die uns den Lenz verkünden? Gundela Gießmann weist auf die vielen, noch unbewohnten Schwalbennester an ihrem Haus hin: "Das sind unsere Glücksvögel. Klar, die machen schon etwas Dreck. Aber es ist herrlich, sie beim Aufziehen ihrer Jungen zu beobachten. Ich würde nie, wie andere, diese Nester wegmachen."

Um Vogelnester kümmert sich an diesem Tag Michael Ziglowski in Buschkuhnsdorf nicht. Seit zehn Jahren sorgt er dafür, dass rund 700 Haushalte links und rechts der B 187 zwischen Jessen und Holzdorf beizeiten ihre Post bekommen. 7.30 Uhr geht es in Jessen an der alten Post mit dem Sortieren und Beladen des Fahrzeuges los. Gegen 16 Uhr kann der Mann in Gelb, der sich selbst als "Gastarbeiter aus dem brandenburgischen Brandis" bezeichnet, gewöhnlich Feierabend machen. Manchmal aber, wie im Februar, bei den eisigen Temperaturen, war das nicht der Fall. "Jetzt, wo der Frost endlich vorbei ist, kann ich die Arbeit wieder genießen. Ich möchte keinen Bürojob, ich brauche frische Luft und Kontakt mit den Menschen." Für viele ist er wie ein alter Bekannter und Einladungen zu einem Kaffee habe es auch schon gegeben.

Vielleicht auch von Hildebrandts aus Reicho. Den beiden Rentnern ist der Wind noch zu kalt. "Wir machen noch nichts im Gemüsegarten. Das hat alles noch Zeit. Umso schneller wächst es später, wenn die Temperaturen höher sind", erklärt Ilse Hildebrandt. Aber wenn sie nun schon mal die Zeitung da habe, müsse sie noch was loswerden. Die Rechnung für Wasser und Abwasser sei gekommen und sie müssten etwas nachzahlen. "Aber wir hatten so viele Unannehmlichkeiten wegen der Verunreinigungen. Mussten alles abkochen. Da wär doch ein kleines Dankeschön für unser Verständnis angebracht, oder? Otto Hildebrandt, der bis dahin seiner Frau zugehört hatte, winkt ab. Das wird wohl nicht kommen. Darauf angesprochen meint er: Ganz anders sehe es bei den Frühlingsgefühlen aus. Er werde zwar dieses Jahr 75, aber trotzdem warte er drauf.

Elke Wolf, Bäckereiverkäuferin in Holzdorf, hat sie bereits: "Mal sind sie da, dann sind sie wieder weg. Je nachdem, wie das Wetter so ist. Aber wenn die Sonne schön scheint, dann kommen die Frühlingsgefühle von ganz allein."