Klärwerk in Jessen Klärwerk in Jessen: Taucher arbeiten unter Luftblasen

Jessen - Wer das Bild eines Tauchers vor Augen hat, der denkt wohl nicht selten an einen zwischen Korallenriffs und bunten Fischen dahin gleitenden Körper. Bedächtig nimmt dieser alles Schöne um sich herum auf und genießt die Stille des Augenblicks. Von solchen Momenten können Berufs- und Industrietaucher allerdings nur träumen. So im Jessener Klärwerk.
Bohrgeräusche aus der Tiefe
Dort steigen unablässig große Luftblasen an die Wasseroberfläche. Leise blubbernd und sich gemächlich ausbreitend. Wasserläufer nutzen die entstehenden Wellen für ihren Tanz in der Mittagssonne. Mehr ist es nicht, was die Position des Tauchers verrät. Nur hin und wieder erkennt man im trüben Nass seinen gelben Helm und die Reserveflasche mit Sauerstoff, die er auf dem Rücken trägt. Zudem knickern Bohrgeräusche aus dem Wasser, was darauf hindeutet, dass der Mann unter der Wasseroberfläche beschäftigt ist.
Seit Monaten schon erweitert der Wasser- und Abwasserzweckverband „Elbe-Elster-Jessen“ das Klärwerk Jessen um eine Reinigungsstufe. Der seit dem Bau des Klärwerks gewachsene Einzugsbereich sowie höhere Einleitungen durch Industrieunternehmen forderten den Verband zum Handeln auf. „Die Arbeiten gehen gut voran, liegen im vorgegebenen Zeitrahmen“, verdeutlicht der neue Geschäftsführer des WAZV, Thomas Giffey.
Allerdings, ergänzt der Leiter des Klärwerks Silvio Junge, habe es im Bauverlauf zwischenzeitlich Planungsänderungen gegeben. Zwei Belüftungsfilter, welche die später im Klärwerksbecken arbeitenden Bakterien mit Sauerstoff versorgen sollen, seien zwar im trockenen Zustand montiert worden, müssten nun aber noch einmal versetzt werden.
Ohne Sauerstoff könnten die Bakterien ihre reinigende Tätigkeit nicht ausführen. Mittlerweile ist das 34 Meter breite Becken, das etwa 4 700 Kubikmeter Fassungsvermögen besitzt, jedoch zu gut einem Drittel mit Wasser gefüllt. Dabei handelt es sich um Grundwasser, mit dem der Betriebsablauf getestet werden soll, ehe die Schmutzfracht in den kommenden Tagen zugelassen wird. Der Einsatz eines Tauchers war somit unablässig.
Nach einem Defekt
Immer wieder einmal müssen Industrietaucher in Klärwerksbecken einsteigen. Auch in Jessen ist das kein Sonderfall. Die Anlagen sind rund um die Uhr in Betrieb und unterliegen einer starken Abnutzung. Es sei daher nie auszuschließen, dass Teile der Anlage defekt gingen, betont Junge. Für mögliche Reparaturen könne man aber nicht jedes Mal den gesamten Inhalt des Beckens entnehmen. Also müssten Taucher ans Werk, die sich dann durch das Abwasser zur Schadstelle kämpfen und die Mängel beheben.
Noch weist das neue Klärbecken kein Abwasser auf. Jener Taucher, der dieser Tage in Jessen im Einsatz war, hatte also mehr Glück. Allerdings bot sich auch ihm kein Korallenriffblick. Nur zu Beginn der Mission hatte er freie Sicht. Doch das Grundwasser der Region ist vielerorts stark eisenhaltig. Die braunen Partikel fallen bei längeren Standzeiten zwar zu Boden, Bewegungen wirbeln sie aber schnell wieder auf.
Ungewollt sorgte der Taucher somit selbst für eine Minderung seiner Aussicht. Was ihn aber nicht davon abhielt, das vorgegebene Werk zu verrichten. Eine mit Hydraulik betriebene Bohrmaschine gab stetig Geräusche frei, die auf den Fortgang der Arbeiten hindeuteten. Von seinen Kollegen erhielt der Taucher dabei über Sprechfunk Anweisungen.
Zudem reichten sie ihm vom Beckenrand aus das erforderliche Werkzeug und sicherten seine Luftzufuhr zur externen Sauerstoffflasche, mit der er über einen langen Schlauch verbunden war. Sofern es keine zwingenden Gründe gibt, das Wasser zu verlassen, können Taucher unter diesen Bedingungen mehrere Stunden im Einsatz sein.
Die Kosten für den Industrietaucher trägt die bauausführenden Firma, so Silvio Junge. Als Auftraggeber bleibe der WAZV dabei komplett außen vor. Sofern der Testbetrieb störungsfreie verläuft, kann die Erweiterung des Klärwerks ab der 40. Kalenderwoche - ab 1. Oktober also - in Betrieb genommen werden.
(mz)