Kirchturmglocken in Mügeln Kirchturmglocken in Mügeln: Zum letzten Mal nach halbem Jahrhundert

Mügeln - Zum Gottesdienst am Ewigkeitssonntag läutete Tischlermeister i.R. Friedhelm Kralisch zum letzten Mal von Hand die zwei Glocken im Turm der Mügelner Kirche. Fast 50 Jahre hatte der 74-Jährige dieses Ehrenamt inne und mit großer Zuverlässigkeit ausgeübt. Trotz Wind und Wetter, das Geläut blieb nie stumm. Weder beim Abendläuten, noch an den Gottesdienstsonntagen. Er erkannte jede hölzerne Treppenstufe am Knarren, bis er endlich auf der Etage stand, auf der die Glockenseile endeten. Mit gekonntem Einsatz brachte er jede Glocke zum Schwingen, bis der Klöppel sie ertönen ließ. Nach getanem Werk wurde nochmal gegenläufig an den mächtigen Stricken gezogen, um das Geläut abzubremsen, bis zum letzten Ton.
Der für Mügeln zuständige Pfarrer Dietrich Schekatz sprach Friedhelm Kralisch, seiner Frau Helga und der gesamten Familie seinen Dank für die stete Zuverlässigkeit aus. Nicht nur für das Läuten, Friedhelm Kralisch sorgte auch dafür, dass die Gottesdienstbesucher immer in einer warmen Kirche auf den Bänken sitzen konnten. Die Kralischs waren sieben Geschwister. Alle verstanden sich aufs Läuten, wenn Friedhelm wirklich einmal verhindert war. Aber das kam eher selten vor.
Bronzestück vergraben
Friedhelm Kralisch wurde 1940 geboren. Es war vermutlich das Jahr, in dem die dritte, kleinere Taufglocke vom Turm genommen wurde. Im Gegensatz zu ihren gusseisernen „Geschwistern“ war sie aus Bronze gegossen und deshalb ein wichtiger Rohstofflieferant für die Kriegsindustrie.
Das Taufgeläut wurde vom Turm genommen und sollte zu einem Sammelplatz nach Seyda transportiert werden. Dort kam sie aber nie an. Sie verschwand spurlos auf dem Transport durch das damalige militärische Sperrgebiet in der Glücksburger Heide. Alfred Wäsch aus Mügeln hatte die Glocke auf einem Traktoranhänger transportiert.
Nur ganz wenigen zuverlässigen Freunden soll er unter vorgehaltener Hand gesteckt haben, dass er das Bronzestück in der Heide vergraben habe. Sie wurde bis heute nicht aufgefunden. Zeitzeugen gibt es keine mehr, Alfred Wäsch starb kurz nach Kriegsende und nahm sein Geheimnis mit ins Grab. Kreiskantor Volkmar Genterczewsky, der in Mügeln wohnt, hatte sich intensiv mit dem Thema beschäftigt. „Es war absolut nichts mehr zu erfahren“, sagte er.
700 Kilo schwer
Nun bleiben die beiden Glocken stumm. Weniger, weil sich für Friedhelm Kralisch kein Nachfolger gefunden hat, sondern hauptsächlich, weil der Mügelner Kirchturm einer umfassenden Sanierung und Modernisierung unterzogen wird. Ein Elektrogetriebe soll bald das Geläut zum Schwingen bringen. Die Läutezeiten werden einprogrammiert und sekundengenau über eine Funkuhr gesteuert. Auch die vier Glockenuhren erhalten neue Antriebe.
Die 800 Kilogramm G- und die 700 Kilo schwere A-Glocke werden abgenommen und auf dem Boden zwischengelagert. Dann werden neue Jochbalken aus Eichenholz eingezogen, die jetzigen sind aus Stahl. Auch neue Klöppel sind geordert, sie wurden in einer Spezialschmiede in Holland gefertigt. Die Montage und Rekonstruktion des Geläuts übernimmt die Firma „Glocken-Schmidt“ aus Berlin. Bereits am Montag rückten zwei Monteure an, um die alten Klöppel zu demontieren. Das erwies sich als äußerst schwierig. Nun wollen sie voraussichtlich am 3. Dezember erneut in Mügeln sein. Ihr Ziel ist es, die Glocken zum Gottesdienst am dritten Adventssonntag erstmals wieder zum Klingen zu bringen. Das wünschen sich auch die gesamte Kirchengemeinde und die meisten Bewohner. Denn ohne den gewohnten Klang fehlt etwas in Mügeln. (mz)