Insekten per Luftpost Insekten per Luftpost: Schädling geht's mit dem Quadrocopter an den Kragen

Rettig - Die vier Motoren nehmen langsam Fahrt auf. Aus dem anfänglichen Summen wird ein Pfeifton. Sekunden später geht der Quadrocopter von Axel Weckschmied in die Luft und visiert in Rettig ein Maisfeld an. An Bord befinden sich über eine Million Fluggäste, die auf 80 Hektar zum „flächendeckenden Vernichtungsschlag“ ausholen sollen.
Landwirt Uwe Pötzsch aus Rade setzt auf biologische Schädlingsbekämpfung und hat sich mit dem Dresdener Weckschmied einen Fachmann ins Boot geholt, der ihn bei diesem Anliegen unterstützt. Auf den Feldern des 48-jährigen Landwirts treibt der Maiszünsler sein Unwesen. Der Firmenchef aus Sachsen hat vor dem Start den Abwurftrichter seines Quadrocopters mit 600 Kugeln in der Größe eines Tischtennisballs bestückt, die nach vorheriger Programmierung alle zehn Meter abgeworfen werden.
In jeder Kugel befinden sich 2.200 Schlupfwespen, die beim Landungsaufprall aus den winzigen Löchern der Bälle krabbeln und nach erfolgreicher Suche die Eigelege des Maiszünslers zerstören. „Schlupfwespen sind Parasiten und der natürliche Feind des Schädlings“, sagt Weckschmied und fügt an, dass die Wespe sehr lauffaul sei und deshalb alle zehn Meter eine Kapsel den Abwurftrichter verlässt.
Winterharte Raupen
Michael Faßhauer vom Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten Anhalt schaut sich den Einsatz an. Der Maiszünsler ist ein Kleinschmetterling, der seine Eier im Mais ablegt. Die Raupe frisst sich im Stängelmark nach unten, zerstört die Pflanze und kann in der Maisstoppel überwintern.
Deshalb sei es wichtig, dass die Wespen kurz nach der Eiablage zum Einsatz kommen. Weckschmied ergänzt, dass die Erfolgaussichten in den ersten vier bis fünf Tagen bei 60 bis 80 Prozent liegen. Danach sinkt die Quote auf 30 bis 40.
Der Dresdener wechselt mit seinem gesamten Equipment den Standort. Der 59-Jährige erzählt, dass er früher als Software-Ingenieur gearbeitet hat, doch stundenlanges Sitzen vor dem Computer irgendwann nicht mehr sein Ding gewesen sei. Weckschmied macht sich selbstständig und findet mit biologischem Pflanzenschutz schnell eine Marktlücke.
„Jetzt bin ich sechs Wochen unterwegs“, sagt er und zeigt in das Innere seines Kleintransporters. „Mein Schlafplatz“, nennt der Dresdener das Provisorium. In seiner Jugendzeit ist der heute 59-Jährige noch selber in die Luft gegangen. Als Segelflieger bei der GST.
Die Luftfahrt hat auf Weckschmied immer eine Faszination ausgeübt. Als Hubschraubermodellpilot hat alles angefangen, jetzt steuert er selbst entworfene und gebaute Quadrocopter in 100 Metern Höhe. Seine Firma wird zudem zur Vermessung von Flächen oder zum Kabelziehen im Hochspannungsleitungsbau angefordert.
„Man muss technisches Verständnis haben und den Job mit Herzblut machen“, sagt er und fängt an, den Abwurftrichter mit Kugeln zu bestücken. Eine ausgewachsene Schlupfwespe wird etwa 0,4 Millimeter groß.
Zufriedener Auftraggeber
Uwe Pötzsch ist erstaunt, wie flott Weckschmied die Arbeiten in luftiger Höhe von der Hand gehen. Der 48-Jährige hat 2017 den konventionellen Ackerbau aufgegeben. „Bio ist ein aufstrebender und interessanter Markt“, nennt er den Hauptgrund.
Die Unkrautbekämpfung hat er mit einem kamerageführten Reihenhackgerät gut in den Griff gekriegt. Da er als Bio-Bauer keine Insektizide zur Vernichtung von Schädlingen einsetzt, ist er auf die Hilfe des Spezialisten aus Dresden angewiesen. Wichtig sei, dass man auf eine weite Fruchtfolge setzt.
Einfacher ausgedrückt: Nach dem Körnermais werden auf den abgeernteten Flächen zum Beispiel Erbsen und ein Jahr später Kartoffeln angebaut. Jede Pflanze, betont Pötzsch, hat ihre Krankheiten. Wer zwei Jahre dasselbe anbaut, überträgt diese. Der Landwirt hat mit dem Aufstöbern des Maiszünslers die Vorarbeit geleistet, in acht Wochen wird er sehen, wer als Gewinner aus dem Zweikampf hervorgegangen ist.
Bleibt der Schädling jedoch in der Pflanze, bricht der Stängel weg und die Raupen überwintern wie erwähnt nach dem Dreschen in den Maisstoppeln. Im Silo-Mais dagegen sterben diese beim Verdichten der Silage ab.
Am Nachmittag packt Weckschmied seine Sachen zusammen, knapp 80 Hektar biologischer Pflanzenschutz sind geschafft. Die Schlupfwespen bezieht der Dresdener von einem Unternehmen in der Nähe von Göttingen. Aktuell ist sein Bestellzettel prall gefüllt. (mz)


