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Corona in Annaburg Impfen am Abenteuerland

Der Auftakt in Annaburg geht reibungslos über die Bühne. Wer die Nummer eins gewesen ist, woher die Ärzte kommen und was sich hinter dem Ausgang befindet.

08.04.2021, 08:00

Annaburg/MZ

Frieda Krause ist erleichtert. Sie erzählt von einer unruhigen Nacht, dem mulmigen Gefühl im Magen und den unzähligen Gedanken, die ihr durch den Kopf gegangen sind. „Ich habe als junge Frau schon einen Weltkrieg miterlebt“, blickt Frieda Krause auf fast 98 Lebensjahre zurück.

Die rüstige Seniorin ist am Mittwochmorgen die Nummer eins im Impfzentrum in der Annaburger Otto-Heinze-Straße. Nach Aufnahme der Formalitäten und dem Beratungsgespräch mit Ärztin Ulrike Prinz aus Berlin krempelt sie tapfer den Ärmel hoch und verzieht beim Piks keine Miene. „Wir spritzen 0,3 Milliliter Biontech“, sagt Ulrike Prinz, die zusammen mit ihrem Mann Florian schon in mehreren Städten die Schutzimpfung gegen Covid-19 in den dortigen Zentren durchgeführt hat. Die Schwierigkeit bei Menschen über 80 Jahre, erklärt die Medizinerin, sei es, im Oberarm Muskelmasse zu finden, da der Impfstoff dort injiziert werden muss. Zum Start steht Impfstoff für 42 Personen zur Verfügung.

Bundeswehr im Einsatz

Die tapfere Seniorin nimmt im Nebenraum Platz und wartet 15 Minuten auf die Übergabe ihrer Impfbestätigung. Drei Bundeswehrangehörige aus Burg erledigen hier umsichtig ihren Dienst, der vierte ist für organisatorische Aufgaben im Empfangsbereich zuständig. Die Soldaten erzählen, dass sie ihre Immunisierung gegen das Virus bereits erhalten haben, damit kein Ansteckungsrisiko mehr besteht.

Das Impfzentrum, das sich in der unteren Etage neben der Kita „Abenteuerland“ befindet (die Räume nutzt sonst die Volkssolidarität), ist übersichtlich eingerichtet, alle Impf-Patienten werden an der Eingangstür von Mitarbeitern der Stadt abgeholt und verlassen das Areal auf der Rückseite über eine von Stadtrat Peter Kerz gefertigte Holzbrücke. Bürgermeister Klaus-Rüdiger Neubauer (parteilos) nennt das Bauwerk scherzhaft „Pfi“ (Provisorium für immer). Zum Auftakt läuft alles wie am Schnürchen.

Die über 80-Jährigen aus dem Stadtgebiet werden überwiegend von ihren Kindern oder Verwandten begleitet, es herrscht keine Hektik, das Ärzte-Ehepaar aus Berlin redet beruhigend auf die Senioren ein und versucht stets, die Stimmung ein wenig aufzulockern. Herbert Thinius ist mit seiner Ehefrau Ursula erschienen. Der 93-Jährige erzählt, dass er in seinem Leben schon viele Spritzen bekommen hat und deshalb ziemlich tiefenentspannt sei.

Es habe überhaupt nicht wehgetan, sagen sie nach der Schutzimpfung, die Ärzte sind „große Klasse“. Anderseits, meint Herbert Thinius, ist er froh, dass alles überstanden sei. Ein Termin vor 9?Uhr heißt für ein Ehepaar in diesem Alter, dass der Wecker um 6?Uhr klingelt. Es geht alles nicht mehr so schnell.

Zufriedener Bürgermeister

Bürgermeister Neubauer ist stolz und zufrieden zugleich, dass alles problemlos über die Bühne geht. Die über 80-Jährigen haben „der Priorität entsprechend“ ihren Termin erhalten, am heutigen Donnerstag gehen 664 Briefe für die über 70-Jährigen auf die Reise. „Für die Verwaltung war es in Sachen Umsetzung ein nicht allzu langer Weg. Mit dem eigenen Impfzentrum entlasten wir den Landkreis und unsere Einwohner, da sie nicht mehr nach Wittenberg fahren müssen.“ Neubauer betont, dass er den Bürgern ein Versprechen gegeben habe und dieses mit der Eröffnung des Impfzentrums auch eingelöst hat. Sein Rat an die Bundespolitik: In einer Pandemie bringe es nichts, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben. Da hilft nur konsequentes Handeln!

Dies sehen die beiden Ärzte aus Berlin ebenso, die Annaburg zum Startschuss in den Impf-Marathon beglückwünschen. Da sie in der Forschung (Florian Prinz) und im Bereich Notfallmedizin (Ulrike Prinz) arbeiten, sei es nach Anfrage der Kassenärztlichen Vereinigung von Sachsen-Anhalt kein Problem gewesen, Aufgaben in einem weiteren Zentrum zu übernehmen. „Wir müssen keine Praxis schließen oder Patienten wegschicken“, sagen sie. Vor jeder Impfung sei es wichtig, die Menschen umfassend über den Impfstoff - in diesem Fall Biontech - zu informieren und ihnen die Sorgen zu nehmen. Das Rezept geht auf. Von den Patienten kassiert das Duo nur Lob. (mz/Thomas Tominski)