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Hebammen im Landkreis Wittenberg Hebammen im Landkreis Wittenberg: Die Praxis auf dem Land

Von Ute Otto 20.01.2016, 16:46
Der kleine Arne aus Kropstädt fühlt sich pudelwohl bei der Massage im Kreise weiterer sechs Babys.
Der kleine Arne aus Kropstädt fühlt sich pudelwohl bei der Massage im Kreise weiterer sechs Babys. archiv/Th. Christel Lizenz

Zahna-Elster - Zum ersten Mal kommen die sieben Mütter aus Zahna, Jüterbog, Kropstädt, Jessen, Mark Zwuschen mit ihren Säuglingen zum Baby-Massagekurs in die Praxis von Hebamme Klaudia Schulze im Zahnaer Ortsteil Klebitz. Zwischen vier und zwölf Wochen alt sind die Kleinen.

Mollig warm ist es im Kursraum, aber fast alle Babys schreien, als sie ausgezogen werden. Doch schon nach wenigen Minuten ist der Kanon verstummt: Die kleinen Erdenbürger genießen es, wie sich ihre Mütter, so wie es die Hebamme an der Puppe vormacht, an ihrem Körper hocharbeiten. Mit Fingerspitzengefühl im wahrsten Wortsinn von den Füßchen angefangen bis zum Gesicht, um dann über den Rücken wieder abwärts zu gehen.

Es ist die Indisch-schwedische Massagetechnik, die Klaudia Schulze hier vermittelt. Sie soll beruhigend wirken, Stoffwechsel und Durchblutung anregen, Muskelverspannungen lösen - die auch Säuglinge schon haben können, weil sie sich oft anstrengen müssen. Klaudia Schulze ist gespannt auf die Rückmeldung der Mütter, ob - tägliche Anwendung vorausgesetzt - sich das Ein- und Durchschlafverhalten ihrer Sprösslinge verbessert. Auf jeden Fall kommt die Massage dem Bedürfnis des Babys nach liebevoller Berührung entgegen und ruft auch bei der Mutter ein Wohlgefühl hervor.

Mehr Hype als gute Informationen

„Vor allem die Erstgebärenden sind heutzutage in vielen Fragen verunsichert, was sie richtig oder falsch machen in der Schwangerschaft oder dann mit dem Baby“, sagt Klaudia Schulze. Das mache der Hype in den unzähligen Zeitschriften und Internetforen. Nicht dass sich die Eltern nicht schlau machen sollten, aber vieles werde einfach übertrieben. „Ich ermuntere die Frauen und Mütter, auf ihren Bauch zu hören, ob sie ein gutes Gefühl dabei haben.“

Klaudia Schulze bietet als freiberufliche Hebamme Geburtsvorbereitung und Nachsorge an. Nur ein Bruchteil ihrer rund 21 000 Berufskolleginnen bundesweit ist noch direkt in der Geburtshilfe tätig. Und es werden immer weniger, weil die Haftpflichtversicherungsbeiträge für die Hebammen rapide angestiegen sind und die Sicherungszuschläge der gesetzlichen Krankenkassen befristet werden. 2014 waren beim Gesundheitsamt des Kreises elf freiberufliche Hebammen im Kreis gemeldet. Im Jahr zuvor gab es noch 17.

Als sich Klaudia Schulze nach zehn Jahren Geburtshilfe im Klinikdienst 1999 selbständig machte, war das noch kein Thema. „Ich hatte schon zwei Kinder und wollte mehr Zeit für die Familie haben“, erzählt sie. Inzwischen ist sie vierfache Mutter, die Kinder sind neun, zwölf, 17 und 19 Jahre alt. Bevor der Jüngste geboren wurde, hat sie mit einer Frauenarztpraxis in Jessen zusammengearbeitet. Als die Familie von Zahna in das größere Anwesen nach Klebitz zog und Klaudia Schulze dort ihre Praxis einrichtete, „hat meine Mutter die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. ,Kind, wie sollen denn die Frauen zu dir kommen?’“

Mit Flyern und Mundpropaganda funktioniert es. Im Schnitt melden sich monatlich vier bis sieben Frauen bei ihr. Seit die Geburtshilfe im Jüterboger Krankenhaus geschlossen habe, sei die Zahl der Klientinnen aus diesem Gebiet gewachsen. „Es besteht keine Pflicht, sich eine Hebamme zu nehmen“, so Schulze. Aber die meisten Schwangeren nehmen das Angebot der Geburtsvorbereitung - und wichtiger noch der Nachsorge und Stillberatung gern an. Klaudia Schulze ist in Akupunktur ausgebildet. Damit lasse sich auch Schwangerschaftsübelkeit mildern. „Hätte ich das gewusst, wäre ich schon früher gekommen“, hört die Klebitzerin oft.

Bis maximal 20 Kilometer erstatten die Kassen der Hebamme die Fahrkosten für insgesamt 16 Hausbesuche in den ersten acht Wochen nach der Geburt plus acht Visiten für darüber hinausgehende Stillberatung. Ob es ihr nicht fehle, Kindern auf die Welt zu helfen? „Bis vor ein paar Jahren habe ich auch gedacht, ich gehe irgendwann einmal wieder in die Geburtshilfe zurück“, sagt Schulze nachdenklich. Aber abgesehen davon, dass sie dann wieder im Klinikdienst eingebunden wäre - wenn sie höre, was in manchen Kliniken so los ist, zum Beispiel dass Hebammen in der Pflege mit einspringen müssen und so ihre Zeit für die Zuwendung zu den Wöchnerinnen und Säuglingen begrenzt werde, „glaube ich nicht, dass ich das noch will“. Es gibt auch Hebammen, die Belegbetten in einer Klinik mieten. Das funktioniere in Ballungsräumen, im ländlichen Raum wäre es ein Zuschussgeschäft.

Mütter möchten sich austauschen

Neben dem Babymassagekurs bietet Klaudia Schulze in ihrer Praxis für die frisch gebackenen Mütter noch einen Rückbildungskurs an. Damit sie die Zeit wirklich für sich nutzen können, sei es besser, die Babys zu Hause zu lassen - wenn es Angehörige gibt, die sie betreuen können. „Wenn das nicht geht, ist es auch nicht schlimm. Aber die meisten Mütter machen das schon von sich aus.“

Das Babyschwimmen empfiehlt die Klebitzer Hebamme auch. Allerdings sind die Möglichkeiten dazu für die Frauen im östlichen Fläming begrenzt - bis zur Piesteritzer Volksschwimmhalle ist es ein Stück Weg. Die Mütter im Massagekurs finden, dass Angebote, wo sich Mütter mit Säuglingen und Kleinkindern austauschen können, dünn gesät sind. „So eine Art Stillcafé wäre toll“, sagt eine.

Nach der Babymassage serviert Klaudia Schulze den Frauen Tee und Kuchen, auf dass sie noch einige Minuten zusammenbleiben. Inzwischen ziehen die Mütter ihre Kleinen an. Noch einmal erhebt sich Protest. Aber wirklich nur ganz kurz, dann schlafen alle Babys selig. (mz)

Bei den Füßchen beginnt die Indisch-schwedische Babymassage.
Bei den Füßchen beginnt die Indisch-schwedische Babymassage.
Christel Lizenz
Hebamme Klaudia Schulze zeigt an der Puppe, wie es geht.
Hebamme Klaudia Schulze zeigt an der Puppe, wie es geht.
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Durch die Bauchlage werden die Babys animiert, den Kopf zu heben.
Durch die Bauchlage werden die Babys animiert, den Kopf zu heben.
Christel Lizenz