Handwerk Handwerk : So wird ein Schuh draus

Elster - „Zeigt her eure Füße“ - getreu dem Motto des zweiten Ferientags im Jugendclub Elster steigt ein Kind nach dem anderen auf den Fußscanner im Haus der Orthopädietechnik von Frank Bergholz. Wenige Sekunden später sind die Abdrücke beider Füße auf dem Computerbildschirm zu sehen.
Antje Weller, die Schwester des Meisters ist eine von zwei Podologinnen im Familienunternehmen, kann von den Bildern ablesen, wie es um die Fußgesundheit der Kinder und Jugendlichen bestellt ist. Tatsächlich weisen einige Mädchen und Jungen schon nach dem ersten Lebensjahrzehnt Ansätze einer Fehlstellung auf. „Manchem wird das in die Wiege gelegt“, sagt die Expertin. „Es hat aber auch mit dem Schuhwerk zu tun.“
Wenn Schuhe nicht richtig geschnürt werden - was ja heutzutage bei Teens Mode sei - habe der Fuß beim Laufen keinen richtigen Halt und verforme sich durch die dauernde Fehlbelastung. Häufiges Umknicken, Schmerzen im Rücken oder Knie können die Folge sein. „Um das wieder auszugleichen, kann der Arzt Einlagen verordnen“, erklärt Antje Weller den Kindern weiter.
In der Werkstatt zeigt der Orthopädieschuhmachermeister, wie Einlagen und orthopädische Schuhe angefertigt werden. 2 000 Rohleisten hat er im Lager in Elster, in den Geschäften Wittenberg und Torgau nochmals zusammen 1 000. Den beiden Zweigstellen sei jeweils eine kleinere Werkstatt angeschlossen. „Für Änderungen“, so Bergholz.
„Sonst bekomme ich die Zulassung von den Krankenkassen nicht.“ Mit rund 160 Krankenkassen haben es die Orthopädie-Werkstätten hierzulande zu tun. „Wir brauchen ein halbes Jahr, um Verkäufer und Bürokräfte einzuarbeiten“, erzählt der Meister. 15 Mitarbeiter hat er im Unternehmen.
In Elster ist die Firma Bergholz seit 1925 ansässig. Seine Vorfahren stammen aus Seyda, so Frank Bergholz. „Ich konnte bis 1704 zurückverfolgen, dass sie immer Leder zwischen den Fingern hatten.“ Wie neu sehen die Meisterstücke seines Urgroßvaters aus dem Jahr 1920 aus, die Frank Bergholz den Kindern zeigt: schwarze Herrenschuhe und Hochzeitsschuhe für die Dame. Nicht zuletzt trägt richtige Pflege dazu bei, dass Schuhwerk lange seinen Dienst leistet. Wie das geht, zeigte Auszubildender Paul Weller. Er putzte allen Kindern die Stiefel.
Die Orthopädieschuhtechnik nahm ihren Aufschwung durch die beiden Weltkriege. Vor allem bei Soldaten, die ab 1942 die Winterkämpfe an der Ostfront miterlebt und überlebt hatten, waren Amputationen an den Füßen nach Erfrierungen an der Tagesordnung. „Heute haben wir es zunehmend mit Folgen von Diabetes und Neuropathie zu tun“, sagt der Meister. Es sei tatsächlich ein Beruf mit Zukunft angesichts des Umstands, dass immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen.
Auch wenn zunehmend computergesteuerte Maschinen Handarbeit ablösen, das Fachwissen des Menschen sei unverzichtbar. Und so denkt Frank Bergholz auch an den eigenen Berufsnachwuchs. Paul Weller, sein Neffe, lernt im ersten Jahr bei ihm. Eine junge Frau hat gerade ihren Abschluss gemacht und erhält am 26. Februar den Gesellenbrief. Dreieinhalb Jahre dauert die Lehrzeit, die Berufsschule ist in Gotha. Logisches Denken, einen guten Notendurchschnitt und Auffassungsgabe müssen die Bewerber mitbringen.
„Vom Bauchnabel abwärts müssen wir die lateinischen Bezeichnungen der Körperteile kennen. Das lernt man in der Berufsschule.“ Auch für Verkäufer und Bürokaufleute stellt er Ausbildungsplätze zur Verfügung. Schnupperpraktika seien vorher von Vorteil.
„Die Kinder und Jugendlichen, die hier im Ort wohnen, sollen sehen, welche Betriebe es hier gibt“, so Frank Bergholz auf die Frage, warum er den Aufwand nicht scheut, den der Besuch von über 20 Kindern und Jugendlichen im laufenden Betrieb mit sich bringt. „Und sie sollen auch erfahren, was es mit dem Handwerk auf sich hat.“ (mz)