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Gewerbe im Jessener Land Gewerbe im Jessener Land: Verhüllung gegen Corona-Maßnahmen

Von Aline Gorldt 06.02.2021, 09:43
Jeanin Muñoz-Thiel beteiligt sich mit ihrem Kosmetikstudio in Zahna an der Aktion der Handwerkskammer und verhüllt ihren Laden.
Jeanin Muñoz-Thiel beteiligt sich mit ihrem Kosmetikstudio in Zahna an der Aktion der Handwerkskammer und verhüllt ihren Laden. Aline Gorldt

Zahna-Elster/Jessen - „Wenn ihr weiter nur die Großen rettet, könnte es hier bald so aussehen! Wir brauchen eine Perspektive.“ Plakate mit dieser Aufschrift waren am Freitag in verschiedenen Schaufenstern zu sehen. So auch bei Jeanin Muñoz-Thiel.

Das Motto der Aktion spricht ihr aus der Seele. Deshalb folgt sie dem Aufruf der Handwerkskammer, ihr Schaufenster abzukleben, um symbolisch die Perspektivlosigkeit der vor allem kleinen und mittleren Betriebe darzustellen.

Ihr und ihren vielen Berufskollegen geht es schlecht, sagt sie. Ändert sich die Situation bis Mitte des Jahres nicht, müsse sie eine schwere Entscheidung treffen. Schon im ersten Lockdown, erzählt sie der MZ, war es schwierig, an finanzielle Hilfen zu kommen. Irgendwann gehe es einfach nicht mehr weiter. Sie hat nun Inventar einer Berufskollegin aus Brandenburg in ihrem Laden, diese musste ihr Geschäft bereits schließen.

Irgendwie Geld verdienen

Und auch Muñoz-Thiel selbst musste schon zu harten Maßnahmen greifen. Schminke etwa hat sie verkauft und wird bis auf weiteres diese Dienstleistung nicht mehr anbieten. „Man muss ja irgendwie Geld verdienen. Da ist es wichtig, den Fokus auf das Wichtigste zu legen“. Das ist in ihrem Falle die Fußpflege. Doch diese darf sie ebenfalls seit Mitte Dezember nicht anbieten.

Nur Podologen dürfen derzeit arbeiten, kritisiert sie. „Wir machen aber die Vorsorge, damit der Kunde nicht zu einer medizinischen Fußpflege muss“, spricht sie für sich und ihre Kollegen. Schließlich gehe es vor allem auch um die Gesunderhaltung der Menschen. Doch trotz ihrer entsprechenden Ausbildung und angemessener Hygienemaßnahmen darf sie nicht arbeiten, Anträge beim Gesundheitsamt wurden mit Verweis auf die Verordnung der Landesregierung abgelehnt.

„Man ist nicht gewillt, einzelne Situationen zu begutachten“, kritisiert sie. Muñoz-Thiel fordert, dass die Behörden sich vor Ort ein Bild von den Handwerksbetrieben machen und dann im Einzelfall, über eine Ausnahmegenehmigung etwa, eine Öffnung erlauben.

Schließlich würden auch die Kunden leiden. „Jetzt kommt auch bei ihnen so langsam die Verzweiflung“, weiß sie. Denn diese, oft älteren Kunden, die auf die regelmäßige Fußpflege bei ihr angewiesen sind, müssen sich nun eine podologische Praxis suchen, die häufig schon sehr überfüllt seien.

„Ich bin der Überzeugung, je mehr mitmachen, je mehr können wir bewirken“, sagt Antje Krey-Paulisch die mit ihrem Salon Family Hair in Zahna ebenfalls an der Aktion teilnimmt. Sie meint, dass alle leiden würden, würden die Schaufenster tatsächlich so leer werden. „Wenn das Handwerk stirbt, haben alle ein Problem“, so die Friseurin. Gemeinsam, da ist sie sich sicher, könne man viel erreichen.

So sei es auch zuletzt bei der Schmetterlingsaktion gewesen, die die Jugendclubleiterin Sabine Hoffmann in der Stadt Zahna-Elster ins Leben gerufen hat.

Dabei haben Kinder bunte Schmetterlinge an die Schaufenster geklebt um zu zeigen, dass sie für die Händler da sind und an sie denken. „Das hat mich sehr bewegt.“

Bürokratie kostet

Krey-Paulisch sei keinesfalls gegen den Lockdown. Ihr gehe es um die Bürokratie. Die sei langwierig, kompliziert und würde die Händler viel Geld kosten. „Wenn alles funktionieren würde, wäre das auch in Ordnung.“ Doch finanzielle Hilfen seien nicht in Sicht, sie fühlt sich von der Politik „im Regen stehen gelassen“. Ihr Salon, den sie seit zwölf Jahren betreibt, sei wirtschaftlich gut aufgestellt gewesen. Doch durch die staatliche Anordnung und fehlende Hilfen sei das Unternehmen in eine existenzbedrohende Lage gekommen.

Auch Jessener Unternehmen beteiligten sich an der Aktion. So das Haarstudio 90 von Edith Philipp sowie Melanie Kuhl, die in der Langen Straße Hand- und Fußpflege anbietet. Auch Kuhl habe noch keinerlei Unterstützung bekommen.

Zwar dürfe sie über eine Genehmigung des Gesundheitsamtes seit Februar Fußpflege durchführen, doch um alle Kosten zu decken, reiche das nicht. Sie fühlt sich ebenfalls im Stich gelassen und hofft, dass die Aktion mehr Aufmerksamkeit bringt für die Sorgen und Nöte der Kosmetikbranche. (mz)

Mit diesen Schildern will Jeanin Muñoz-Thiel auf ihre Situation und die ihrer Kollegen aufmerksam machen.
Mit diesen Schildern will Jeanin Muñoz-Thiel auf ihre Situation und die ihrer Kollegen aufmerksam machen.
Gorldt
Auch das Haarstudio 90 von Edith Philipp am Markt in Jessen hat sich am Freitag an der Aktion beteiligt.
Auch das Haarstudio 90 von Edith Philipp am Markt in Jessen hat sich am Freitag an der Aktion beteiligt.
Grommisch
Der Friseursalon „Family Hair“ in Zahna wurde von Inhaberin Antje Krey-Paulisch symbolisch abgeklebt.
Der Friseursalon „Family Hair“ in Zahna wurde von Inhaberin Antje Krey-Paulisch symbolisch abgeklebt.
Gorldt