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Fest in Linda Fest in Linda: Großer Bahnhof für 170-Jährigen

Von Sven Gückel 02.07.2018, 09:31
Der Falkenberger Eisenbahnfreund Markus Winter, Reinhard Stolze aus Berlin, Erwin Rieger, Lindas letzter Bahnvorsteher, und der Geschichtsforscher Dr. Reiner Helling (v.l.) hatten sich am Sonntag viel zu erzählen.
Der Falkenberger Eisenbahnfreund Markus Winter, Reinhard Stolze aus Berlin, Erwin Rieger, Lindas letzter Bahnvorsteher, und der Geschichtsforscher Dr. Reiner Helling (v.l.) hatten sich am Sonntag viel zu erzählen. S. Gückel

Linda - Vor 170 Jahren, am 1. Juli 1848 rauschte erstmals ein Zug auf dem Gleisbett an Linda vorbei. Der Ort selbst errang für die Bahn von diesem Zeitpunkt an eine hohe strategische Bedeutung. Der Einladung nach Linda folgte Reinhard Stolze gern. Der rüstige Senior bestieg deshalb am Sonntagmorgen in seinem Wohnort Berlin den Zug, um eine knappe Stunde später den Bahnhof Linda zu betreten.

Für ihn ein vertrautes Areal. Als Sohn des Bahnvorsteher und Bauingenieurs Fritz Stolze kam er in einem der Häuser am Bahnhofsareal zur Welt und lernte so die hektische Betriebsamkeit kennen, die hier vor einigen Jahrzehnten noch vorherrschte. Drei -, statt wie heute eingleisig, war in Wendisch-Linda, wie der Ort bis zum 15. November 1929 hieß, das Gleisbett bestückt. „Die Anfänge waren jedoch bescheidener“, erläuterte Stolze, der den Grundstock seines Wissens zur Bahnhistorie von seinem Vater vermittelt bekam.

Später reizte ihn das Thema selbst so sehr, dass er eigene Nachforschungen begann. Nicht nur zum Bahnhof Linda, sondern auch zur Ortschaft Glücksburg, zu der Linda lange Zeit gehörte. Seine Erkenntnisse möchte Reinhard Stolze bald in einem Buch veröffentlichen.

„Für unsere Ahnen muss das ein Erlebnis ungekannten Ausmaßes gewesen sein, als am 1. Juli 1848 die Bahn hier ankam“, wagte er den Blick zurück. Erste Überlegungen, an dieser Stelle den sogenannten Haltepunkt 213 zu schaffen, gab es bereits 1836. Zu diesem Zweck gründete man die Berlin-Anhaltinische Eisenbahngesellschaft, deren Streben es war, die Bahn nicht nur in seinerzeit strategisch wichtige Orte wie Wittenberg, Dessau oder Köthen zu führen, sondern auch Knotenpunkte für Fahrten nach Riesa, Leipzig oder Dresden zu schaffen.

Als modernes Beförderungsmittel stand die Eisenbahn hoch im Kurs. Allerdings konnten sich eine Mitfahrt nur bestimmte Menschen leisten. „Für eine Meile mussten zweieinhalb Silbergroschen bezahlt werden. Damals ein gehöriger Preis“, betonte Stolze. Für Geschäftsreisende, die schnell nach Berlin und von dort wieder zurück wollten, war diese Art des Transports dennoch wirtschaftlich effektiv und ein Zeitgewinn.

Um so erstaunlicher, dass der damalige Rat von Linda gegen den Bau eines Bahnhofes war. Warum die Bahngesellschaft sich ausgerechnet für diesen Standort entschied, lasse sich heute nicht mehr genau nachprüfen, so Stolze. Fest steht aber, dass 1886 auch die Waldbahn aus Seyda kommend hier ihren Anschluss fand. Sie war zu dem Zweck gebaut worden, um bei Seyda geschlagenes Holz in Linda umzuschlagen und von dort aus in die größeren Werke abzutransportieren. „Man mag es heute nicht mehr glauben, aber Linda hatte vor über hundert Jahren einen der größten betriebstechnischen Bahnhöfe in der Region“, ergänzte Dr. Reiner Helling, der mit Stolze eine enge Freundschaft pflegt und wie dieser die Geschichte der Region interessiert erforscht.

Größere Güter wurden in Linda umgeschlagen, Expresszüge wie der von Berlin nach Wien fuhren hier durch. Völlig abrupt wurde 1966 der Güterverkehr eingestellt. Stolze und Helling vermuten, das dies mit dem beginnenden Bau der militärischen Liegenschaft in Stolzenhain zu tun hatte.

Bedeutungslos wurde der Bahnhof Linda dennoch nicht. Noch bis zum 31. Dezember 1993 war er auch ein herausragender Arbeitsplatz für 34 Bahnmitarbeiter. Einer von ihnen war Erwin Rieger, Lindas letzter Bahnhofsvorsteher. „Ab 1994 wurden die Schranken nicht mehr von Hand bedient sondern agierten elektrisch, Fahrkarten gab es fortan beim Schaffner oder am Automaten“, erzählte Rieger.

Aus dem Bahnhof Linda wurde nunmehr die Blockstelle Linda. Züge halten an ihr bis heute. Ein Glücksfall für den Ort, angesichts vieler Stilllegungen auch auf diesem Gebiet. Wie dereinst das Leben am Bahnhof Linda pulsierte, dessen Areal aufgrund vieler Wohnhäuser von höher gestellten Personen aus Post, Bahn und Forst im Volksmund schon mal als „Beamtenviertel“ bezeichnet wurde, ließ sich am Sonntag auf Fotos und Grafiken nachvollziehen, die anlässlich des Bahnhofsfestes ausgestellt waren. Mehrere Hundert Besucher fanden sich am Bahnhof ein und verließen das Fest mit neuem Wissen zur Heimatgeschichte. (mz)