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Erinnerung an den 20. Juli 1944 Erinnerung an den 20. Juli 1944: Hilfe für Carl Goerdeler

Von Klaus Däumichen 19.07.2002, 18:45

Jessen/MZ. - Nie waren seit 1933 die Chancen für eine Wende so günstig wie an diesem heißen Sommertag des Jahres 1944, als an der "Wolfsschanze" in Rastenburg - dem ostpreußischen Führerhauptquartier - ein Sprengkörper explodierte. Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg, Stabschef des Ersatzheeres, hatte die Bombe detonieren lassen, mit dem Ziel, Hitler zu töten. Aber der überlebte das Attentat und übte furchtbare Rache.

Zu dem Widerstandskreis gehörten der Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler - er sollte der neue Reichskanzler werden -, Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, James Graf von Moltke, Peter Graf York von Wartenburg und andere. Zu festeren organisatorischen Strukturen des Widerstandes war es bereits im Spätsommer des Jahres 1943 gekommen, wesentlich beflügelt durch die Aktivität der Offiziere Claus Graf Schenk von Stauffenberg, Henning von Treskow und Helmut James Graf von Moltke sowie der Sozialdemokraten Julius Leber, Adolf Reichwein, Carlo Mierendorff und Theodor Haubach.

Charakteristisch für die Widerstandsbewegung war ihre soziale Homogenität, die vielfach auf engen verwandtschaftlichen und regionalen Bindungen beruhte. So ist es alles andere als Zufall, dass Keimzellen dieses Widerstandskreises vielfach Güter, Schlösser und Regimentsstrukturen waren. Dazu gehörte auch ein Gutshaus, das sich in der Nähe von Herzberg, in Rahnisdorf, etwa zehn Kilometer von Annaburg entfernt, befindet, Besitzer: Freiherr von Palombini. Goerdeler war mit Palombini gut bekannt und erhielt nach dem Attentat zunächst im Haus des Freiherren Unterschlupf. Über diese Ereignisse berichtet Otto Kunze in seinem neuen Buch "Wenn einer eine Reise tut".

Am 21. Juli 1944 erschienen plötzlich drei Gestapo-Beamte vor den Toren des Gutshauses. Freifrau von Palombini, die zuvor telefonisch gewarnt worden war, besaß so viel Geistesgegenwart, um Carl Goerdeler zu informieren; er entkam aus einem Küchenfenster. Goerdeler konnte sich nach einem stundenlangen Marsch durch die Annaburger Heide absetzen und bei seinem Kriegskameraden Eckardt in Gerbisbach unterkommen. Über diese Ereignisse in Gerbisbach wurde bereits mehrfach berichtet. Am 1. August erschien in allen deutschen Tageszeitungen ein Steckbrief mit seinem Bild. Am 9. August, als er immer noch nicht gefunden war, veröffentlichte man sein Foto noch einmal. Eine Million Reichsmark und ein Händedruck Hitlers sollten der Judaslohn sein.

Mitte August 1944 wurde Goerdeler in der Nähe seiner Heimatstadt Marienwerder, wie auch Otto Kunze berichtet, verhaftet. Eine junge Frau, sie hieß Helene Schwärzel und war Luftwaffenhelferin, wurde Millionärin und der "Führer" drückte ihr die Hand. Goerdeler wurde im Februar 1945 hingerichtet. Er hinterließ keinen Abschiedsbrief. In seinen letzten Tagen aber schrieb er einige Gedanken nieder. Mit einem Bleistiftstummel auf kleine Fetzen Papier. Seinem Sohn Reinhard Goerdeler sind davon vor allem folgende Worte wichtig: "Vor der Welt kann man sich darauf berufen, dass es Deutsche gab, die alles wagten, um vom Vaterland und anderen Völkern weitere Opfer und weiteres Unheil abzuwenden."

Siehe auch: Otto Kunze, "Wenn einer eine Reise tut", 2001, Druckhaus Harms, Groß Oesingen

Der Autor, Prof. Dr. Klaus Däumichen, geborener Axiener, ist Vorstandsmitglied im Technologiepark Berlin-Adlershof.