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Eine Lektion für das Leben

11.01.2002, 14:55

Jessen/MZ. - Im letzten Spiel der Hinrunde in der Handball-Oberliga erwartet der Jessener SV heute Spitzenreiter HC Halle. Auf dem Papier eine scheinbar klare Angelegenheit für die Gäste. Jessens Trainer Mario Bode macht seinen Spielern Mut, an die Überraschung zu glauben. Auch der Klassenerhalt ist für den 35-Jährigen aus Rösa bei Bitterfeld realistisch. MZ-Redakteur Dirk Skrzypczak sprach mit dem selbstständigen Ausbeultechniker über Jessens Chancen, in der Oberliga zu verbleiben.

Wie geht es Ihnen nach dem Kreuzbandriss? Können wir noch Hoffnung haben, Sie in dieser Saison als Spielertrainer zu sehen?

M. Bode: Die Verletzung ist gut verheilt. Ich befinde mich im Aufbautraining. Ein Limit für eine Rückkehr als Spieler setze ich mir nicht. Normalerweise dauert es sechs Monate, bis man wieder eingreifen kann. Ich tue alles, was ich kann, damit es früher klappt.

Nach der kurzfristigen Trennung von André Hein kamen Sie zum Trainerposten wie die Jungfrau zum Kind. Ist es eine große Umstellung, ein Spiel nun mit anderen Augen sehen zu müssen?

M. Bode: Ja, es ist anders. Du trägst eine große Verantwortung, musst komplexe Zusammenhänge im Auge behalten. Auch der Kontakt zu den Spielern verändert sich. Wenn ich als Mannschaftskollege zu einem Spieler mal Arsch sage, weiß er, wie er es zu nehmen hat. Als Trainer kann ich mir so einen Ton nicht erlauben. Ich muss die Truppe aufbauen und ihr Kraft geben, damit sie an sich glaubt.

Hat das Team denn die nötige Klasse, um in der Oberliga bestehen zu können?

M. Bode: Davon bin ich überzeugt. Sonst hätte ich mich nie auf die Bank gesetzt. In der Hinrunde waren wichtige Leistungsträger verletzt. Bis auf mich sind alle jetzt an Bord. Wir werden nun sehen, was die Mannschaft leisten kann. Der Rückstand zum rettenden Ufer beträgt zwei Punkte. Das ist machbar. Den Jungs kann man bisher jedenfalls keinen Vorwurf machen. Die Hälfte der Truppe war vor einem Jahr in der Verbandsliga noch nicht einmal Stammspieler.

Der Abstiegskampf ist ein Nervenkrieg. Halten die Spieler dem Druck stand?

M. Bode: Ich habe in meiner Karriere schon Abstiegsdreck gefressen. Ich kenne alle Facetten. Man muss an sich glauben, sich nicht verrückt machen. Wenn wir es nicht packen, bricht die Welt nicht zusammen. Die Spieler lernen jetzt fürs Leben. Sie müssen die Ellenbogen ausfahren und kämpfen. Dumm nur, dass sie diese Lektion ausgerechnet jetzt erhalten.

Heute geht es gegen den HC Halle. Ein unmögliches Unterfangen?

M. Bode: Keine Mannschaft ist unbesiegbar. Unterschwellig werden sie uns unterschätzen. Das ist unsere Chance.

Mit dem Oberligaaufstieg wächst auch das öffentliche Interesse. Die Gerüchteküche brodelt. Unlängst war von Verhandlungen mit einem anderen Trainer die Rede. Kann sich die Mannschaft bei dem Theater überhaupt auf den Sport konzentrieren?

M. Bode: Das Gequatsche gehört doch dazu. Ich habe ein breites Kreuz und versuche, die Truppe von solchen Dingen fern zu halten. Die Spieler sollen guten Handball spielen und den Fans zeigen, dass sie sich für den Verein zerreißen. Wenn ein Zuschauer in die Halle kommt, soll er für 60 Minuten vergessen, dass er möglicherweise einen Scheiß-Tag hatte.