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Annaburger Heide  Annaburger Heide : 8-köpfige Familie macht gemeinsam Musik

Von Sven Gückel 15.10.2016, 06:00
Sie verbindet inmitten der Einsamkeit des Waldes ein festes Band: Simeon, Samuel, Sebastian (hintere Reihe v.l.), Nehemia, Salome, Daniela, Johanna und Nathanael Reich (vorn, v.l.).
Sie verbindet inmitten der Einsamkeit des Waldes ein festes Band: Simeon, Samuel, Sebastian (hintere Reihe v.l.), Nehemia, Salome, Daniela, Johanna und Nathanael Reich (vorn, v.l.). Sven Gückel

Annaburg - Abgeschiedener als die Familie von Daniela und Sebastian Reich kann man hierzulande kaum leben. Das Paar wohnt gemeinsam mit seinen sechs Kindern inmitten der Annaburger Heide.

Nachbarschaftsstreit kennen die Reichs nicht. Von ihrem Grundstück aus sind es fünf Kilometer bis nach Züllsdorf, die doppelte Distanz gilt es zu bewältigen, um nach Annaburg zu gelangen. Vor 15 Jahren haben Daniela (39) und Sebastian (42) Reich Ausschau nach einem Heim gehalten, das etwas außerhalb der üblichen Wohngebiete steht. „Wir brauchen die freie Natur um uns herum“, sagt Daniela Reich. Doch auch der würzige Kiefernduft des Waldes sei ein wesentlicher Aspekt. Nach eigenen Aussagen half er ihr neben anderem bei der Bewältigung einer schweren Krankheit.

Lange ein Objekt gesucht

Auf der langen Suche nach einem entsprechenden Kleinod nutzten Reichs unter anderem eine Internetplattform. Hier entdeckte das Paar 2004 ein Objekt, das durchaus den Vorstellungen entsprach. Das um 1915 erbaute Haus diente viele Jahre der Reichsbahn, später aber auch der NVA als Büro und Wohnstätte. Zuletzt veräußerte die Treuhandanstalt das Klinkerbauwerk an den Vorbesitzer der Reichs.

Das Rauschen des Waldes, klare Luft und Ruhe, die nur hin und wieder ein vorbeifahrender Zug stört, sprachen für den Kauf. „Dennoch“, gibt Daniela Reich zu, „haben wir ein Jahr lang gezögert, diesen Schritt zu wagen.“ Mitten im Nirgendwo war dann doch weiter auswärts als geplant. Inzwischen haben sich die Eltern und ihre sechs Kinder Samuel (15), Simeon (13), Nathanael (12), Nehemia (6), Salome (4) und Johanna (3) an dieses Leben gewöhnt und entsprechend eingerichtet. Um einen reibungslosen Tagesablauf zu realisieren, bedarf es vor allem gründlicher Planung. Einkäufe fallen deshalb mitunter üppiger aus, als bei anderen Familien. „Wegen eines Stücks Butter können wir nicht extra auf Tour gehen“, verdeutlicht Sebastian Reich. Darüber hinaus füllt der heimische Garten die Vorratskammer. Um ihn kümmert sich im besonderen Samuel. Obst und Gemüse baut er an, kann sogar auf eigene Paprikaschoten verweisen. „Alles rein biologisch“, betont der 15-Jährige stolz. Ein riesiger Steinhaufen, in dem sich die Eidechsen tummeln und ein großes Insektenhotel, von ihm selbst gebaut, helfen, Schädlinge im Zaum zu halten. Wenn Samuel 2018 die Sekundarschule Annaburg verlässt, die er gegenwärtig mit zweien seiner Brüder besucht, möchte er eine Lehre im biologischen Gartenbau absolvieren.

Langeweile kommt nicht auf in der Annaburger Heide

Trotz der räumlichen Grenzen, die das Haus aufzeigt, fühlt sich die Familie wohl in ihrem Zuhause. „Langeweile gibt es hier nicht“, sagt Sebastian Reich, der in Dresden Informatik studierte und sich auf Softwareentwicklung spezialisierte. Seine Frau ist gelernte Erzieherin. Ein Beruf, der ihr bei sechs Kindern zweifelsfrei zugute kommt. „Ich bin selbst mit vielen Geschwistern groß geworden und hatte immer den Wunsch nach einer kinderreichen Familie.“ Haus- und Gartenarbeit sowie das regelmäßige Auffrischen der Holzvorräte für die Heizung gehören zum festen Ritual. Doch die Acht finden auch auf anderem Weg zueinander. Ein Fundament bietet ihnen hierbei die Musik. Wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet, musizieren Reichs mit ihren Kindern. Noten klassischer und sakraler Musik finden sie in ihrer umfangreichen Notenbibliothek oder im Internet. Daniela Reich schreibt diese dann auf die instrumentalen Gegebenheiten der Familie um oder komponiert hier und da selbst. Freude und Talent, aber auch Fleiß bilden die Basis des Klangs. Keines der Kinder hat eine Musikschule besucht, ihr künstlerisches Handwerk haben sie ausschließlich bei den heimischen Musizierstunden erlernt.

Gemeinsamkeit wird gepflegt

Morgens und abends findet sich die Familie zusammen, um sich einfach auszutauschen, zu singen, zu beten oder einer Geschichte zu lauschen. Es werden aber auch aktuelle Geschehnisse ausgewertet, Probleme erörtert und Lösungswege gesucht. Basteln und Spielen sind im Hause Reich ebenso wichtig und fördern den Zusammenhalt wie das gemeinsame Essen. Auch die Samstage stehen gänzlich im Dienste der Familie und sind feste Zeitpunkte für gemeinsame Wanderungen oder Radtouren.

„Es gibt sicher Momente, in denen das Leben in der Einsamkeit nicht einfach ist. Wir stehen immer wieder vor Herausforderungen. Aber tauschen, nein, das möchten wir nicht“, betont Daniela Reich völlig überzeugt. Und so werden die Acht wohl noch auf lange Zeit irgendwo weit ab draußen in der Heide leben.

(mz)