Überfall auf Hettstedter Tankstelle Überfall auf Hettstedter Tankstelle: So erlebte der Security-Mann den Abend

Hettstedt - Reiner Hänschen sieht alles andere als gut aus: eine frischgenähte Platzwunde über dem rechten Auge, eine dicke, weiße Bandage um den Kopf, Kratzer im ganzen Gesicht und an den Händen. Dabei kann der kräftige Hettstedter (63) darüber noch froh sein - denn er könnte auch noch ganz anders, nämlich viel schlimmer aussehen. Hänschen hat am Montagabend einen Überfall auf eine Tankstelle in der Ascherslebener Straße verhindert - und den Täter überwältigt.
Überfall auf Hettstedt Tankstelle ähnelt Szenen eines Kriminalfilms
Was am Montagabend passiert ist, klingt wie ein Kriminalfilm: Gegen 21.40 Uhr betritt der maskierte Täter die Tankstelle, so die Polizei. Hänschen, der als Securitymitarbeiter bei der Tankstelle arbeitet, sitzt in diesem Moment in den Büroräumen und behält die Aufnahmen der Überwachungskameras im Auge. „Ich konnte auf dem Monitor sehen, wie der Kerl den Laden betrat. Er hatte eine Waffe in der Hand und ging direkt auf die Angestellte hinter der Kasse zu“, erzählt er. Der Maskierte fordert die Kassiererin auf, ihm das Bargeld aus der Kasse zu geben. Anschließend schickt er sie nach hinten, um noch mehr Geld zu holen. Sein Fehler dabei: Er begleitet die Frau in die Hinterräume.
Der aktuelle Vorfall ist bereits der dritte Überfall auf die Tankstelle in der Ascherslebener Straße in Hettstedt innerhalb von gerade einmal zwei Monaten. Zum ersten Mal wurde die Tankstelle am 23. Februar überfallen, danach knapp einen Monat später am 17. März. Zwischen dem letzten und dem aktuellen Überfall liegt wieder ungefähr ein Monat.
Auffällig sind die Gemeinsamkeiten bei allen drei Überfällen: Bei jedem der Vorfälle war der Täter maskiert, trug eine Pistole beziehungsweise einen pistolenähnlichen Gegenstand bei sich und forderte die jeweils weibliche Kassiererin auf, ihm Bargeld herauszugeben. Und noch eine Gemeinsamkeit gibt es bei allen drei Taten: Sie alle fanden am Abend statt, zwischen 20.45 Uhr und 21.40 Uhr.
23. Februar 2017 Wie die Polizei mitteilte, betrat gegen 21.30 Uhr ein Unbekannter die Räumlichkeiten und bedrohte die Kassiererin mit einem pistolenähnlichen Gegenstand. Er forderte die Herausgabe von Bargeld. Die Frau übergab dem Mann einen geringen Geldbetrag, woraufhin der Täter flüchtete. In der Tankstelle hielt sich neben der Angestellten auch eine Kundin auf. Beide Personen wurden nicht verletzt.
18. März 2017 Am Freitagabend gegen 20.45 Uhr hat ein Mann in Hettstedt vermummt eine Tankstelle überfallen. Der Täter forderte die 27-jährige Mitarbeiterin unter Vorhalt einer Pistole auf, Bargeld herauszugeben, teilte die Polizei mit. Die Mitarbeiterin kam der Anweisung nach und übergab dem Mann Bargeld. Anschließend flüchtete er unerkannt in unbekannte Richtung. Die Polizei ermittelt wegen räuberischer Erpressung.
Nach dem zweiten Überfall auf die Tankstelle in Hettstedt hat der Betreiber einen Sicherheitsdienst engagiert. Seitdem wird das Gebäude rund um die Uhr von Security-Mitarbeitern gesichert, auch Überwachungskameras sind installiert.
Das sieht nämlich der Securitymitarbeiter auf dem Monitor - und stellt sich hinter einer Tür in Position. Als der Verbrecher den Raum betritt, überwältigt Hänschen ihn von hinten. Der Maskierte wehrt sich, die Männer kämpfen gegeneinander. Und das nicht gerade zimperlich: Der Täter schießt aus nächster Nähe auf den Sicherheitsdienst, trifft ihn nur knapp über dem Auge. Selbst wenn es nur eine Schreckschusswaffe ist, aus dieser Entfernung hätte Hänschen das Auge verlieren können.
Täter schlägt mit Schreckschusspistole auf Sicherheitsbeamten ein
Außerdem schlägt er mit dem Schaft der Pistole immer wieder auf den Security-Mitarbeiter ein, trifft ihn mehrmals am Kopf. Der 63-jährige frühere Kickboxer wehrt sich mit aller Kraft gegen den Angreifer, schickt ihn immer wieder zu Boden, bricht ihm das Nasenbein, ein Bein und die Rippen. „Der ist immer wieder aufgestanden und auf mich losgegangen, hat geschrien: ’Ich bring dich um!’ Wenn du so viel abbekommst, bleibst du eigentlich liegen.“ Schließlich schafft Hänschen es, den Angreifer in einer Ecke zu fixieren, bis die Polizei eintrifft.
Der Täter, der aus Duisburg stammen soll, wurde in Untersuchungshaft genommen, er wird zunächst ins Haftkrankenhaus nach Leipzig überstellt, sagte Halles Staatsanwalt Dennis Cernota der MZ. Die Polizei ermittelt gegen ihn wegen räuberischer Erpressung, ihn erwartet aller Voraussicht nach eine Anklage vor dem Landgericht Halle. Ihm drohen mindestens fünf Jahre Haft, ihm Höchstfall 15 Jahre.
Eine Bewährung ist aufgrund seiner Vergangenheit ausgeschlossen. Für die Justiz ist der 35-Jährige nämlich kein Unbekannter. Er ist vielfach vorbestraft und erst im Januar aus der Haft entlassen worden, so Cernota. Unter anderem musste er sich bereits in der Vergangenheit wegen räuberischer Erpressung in zwei Fällen verantworten. „Es gibt auch Anhaltspunkte dafür, dass der Mann drogenabhängig ist“, sagt Cernota. „Ob das so ist und ob es bei der jetzigen Tat eine Rolle spielt, muss aber noch geprüft werden.“
Polizei prüft ob Täter auch für frühere Überfälle auf Hettstetder Tankstelle vernatwortlich ist
Geprüft werden muss auch, ob der Täter nicht nur den aktuellen Überfall verübt hat. Die Tankstelle in der Ascherslebener Straße wurde nämlich in den letzten beiden Monaten dreimal überfallen - stets mit einem ähnlichen Muster. Die Staatsanwaltschaft bringt den Mann mit der Tat vom Montagabend und der vom 23. Februar in Verbindung. „Grundlage dafür ist die Vielzahl an Ähnlichkeiten zwischen den Fällen“, sagt Cernota. Außerdem spreche auch die Personenbeschreibung, die nach dem Überfall am 23. Februar abgegeben wurde, dafür. Für die dritte Tat vom 17. März sei die Beweislage für ein Ermittlungsverfahren allerdings zu dünn.
Während der Täter in der Untersuchungshaft auf seine Verhandlung wartet, wird Hänschen in der kommenden Woche wieder für die Sicherheit der Kunden und Mitarbeiter in der Tankstelle in Hettstedt im Einsatz sein. Sorgen hat er dabei nicht: „Das ist nun einmal die Arbeit von uns Securitys.“ Er habe schon einige Male in seinem Beruf durchgreifen müssen, „aber so krass war es noch nie. Das ist halt unser Job. Er ist mit Risiko verbunden, das ist uns klar.“ (mz)