Prozess am Landgericht Halle Prozess am Landgericht Halle: Hat Psychiater eine Patientin sexuell missbraucht?

halle (Saale)/Hettstedt/MZ/JM - Im Prozess vor dem Landgericht Halle gegen einen 49-jährigen Psychiater, der eine Patientin sexuell missbraucht haben soll, hat die Verteidigung neue Beweisanträge gestellt. Unter anderem sollen noch Zeugen gehört sowie ein weiteres Gutachten erstellt werden. Die Verhandlung unter Vorsitz von Richter Martin Ringel wird in der kommenden Woche fortgesetzt.
„Nie Zwang oder Gewalt ausgeübt“
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten insgesamt 19 Taten in der Zeit von Januar bis September 2006 vor. Der Arzt arbeitete damals in psychiatrischen Kliniken in Hochweitzschen (Sachsen) und Hettstedt. Zwischen ihm und der Patientin soll es eine sexuelle Beziehung gegeben haben. Dies könnte wegen des besonderen Arzt-Patienten-Verhältnisses als sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen gewertet werden. Zwang oder Gewalt habe der Arzt laut Aussage der Frau aber nie ausgeübt. Er selbst hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Es habe lediglich eine „freundschaftliche Beziehung“ bestanden. Bei einer Verurteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren.
Keine Hinweise auf Rachemotiv
Eine Psychologin, die die Frau begutachtet hat, sagte gestern aus, ihre Aussagen seien „mit hoher Wahrscheinlichkeit glaubhaft“. Es gebe „keine Hinweise auf ein Rachemotiv“ oder auf „Einflüsse Dritter“ und auch „keine gravierenden Widersprüche in ihren Aussagen“. Die Beziehung zwischen ihr und dem Arzt sei „ambivalent“ gewesen. So habe sie durchaus eine Verliebtheit empfunden und es auch genossen, dass sich ein Arzt bevorzugt um sie kümmere. Die sexuellen Kontakte habe sie nicht gewollt, aber aus einem Gefühl der Abhängigkeit hingenommen. Im Prozess hat die Frau unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesagt, weil dabei Details ihrer Krankengeschichte zur Sprache kamen.
Nach Suizid-Versuch in Therapie
Wie die Gutachterin darlegte, leidet sie seit Jahren unter wiederkehrenden Depressionen. Sie sei in einer gefühlsarmen Familie aufgewachsen und habe als junge Frau erfahren, dass sie ein „ungewolltes Kind“ gewesen sei. In der Pubertät habe es einen sexuellen Übergriff eines Nachbarn gegeben. Bereits in der Jugend seien Essstörungen aufgetreten. Sie habe Suizid-Versuche unternommen oder entsprechende Gedanken gehabt. Mehrere Partnerschaften seien gescheitert. Nach einem Suizid-Versuch während einer akuten Depression kam sie in stationäre Therapie - wo sie dann den Arzt kennenlernte.