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MZ-Dorfgeschichten MZ-Dorfgeschichten: Ritzgerode - wo einst ein Riese seine Spuren hinterließ

Von Detlef Liedmann 17.08.2018, 16:00
Blick in die Ritzgeröder Einetalstraße mit ihren schmucken Häusern
Blick in die Ritzgeröder Einetalstraße mit ihren schmucken Häusern Detlef Liedmann

Ritzgerode - Der Kerl muss gewaltig gewesen sein, der da in grauer Vorzeit aus dem hohen Norden kommend den Harz durchreist haben soll. Bei Steinbrücken hinterließ er als Relikt seines Frühstücks den Salzhügel. Kaum weitergegangen, drückte es ihm im Schuh. Den Stein schüttelte er heraus. Der flog in hohem Bogen in den Dorfbach von Ritzgerode. Der große Stein oberhalb des kleinen Dorfteiches soll es sein.

So jedenfalls erzählen es sich Menschen im Einetal seit jeher als Sage. Was wirklich feststeht: In einer Lehensurkunde vom 2. Juli 1046 wird Ritzgerode erstmals erwähnt. Eine Kopie der Urkunde hängt vor dem Büro von Ortsbürgermeister Rainer Stedtler. „So etwas hat auch nicht jeder“, sagt der 68-Jährige. „Das Original liegt in Dresden.“ Denn der Ort verdankt seinen Namen dem Markgrafen Rigdag aus dem Hause der Wettiner. Friedrich August III., letzter König von Sachsen, entstammt der albertinischen Linie dieses Geschlechts.

Gasthof „Zum Einetal“ versorgt Hungrige auch mit drei Feldküchen

Gleich neben dem Kfz-Service, den Stedtler 1991 aufgebaut hat, duftet es im Gasthof „Zum Einetal“ nach Erbsensuppe und Gulasch. „Wir kochen hier für unsre drei Feldküchen“, sagt Christian Klimm, dessen Vater Ingo die Räume vor 17 Jahren gepachtet hat. „Hier passt einfach alles zusammen, vor allem Ausstattung und Preis“, sagt Christian Klimm.

Während seine Schwester Katja, die an diesem Dienstag die weiteste Tour hat, schon unterwegs ist, bereitet sich Anna Krieg gerade auf ihre Abfahrt vor. „Bei uns ist alles hausgemacht“, verrät die 41-jährige Köchin. In der Zeit schaut der 37-jährige Klimm, ebenfalls gelernter Koch, noch einmal nach dem Gulasch. Dann müssen beide los. „Um vier sind wir meist fertig“, so Krieg.

Ritzgerode hat einiges zu bieten - und das mit nur 74 Einwohnern

Ein Kfz-Service, eine Gaststätte, ein Bauer im Haupt-, zwei im Nebenerwerb. Ritzgerode mit seinen 74 Einwohnern hat einiges zu bieten. Herbert Giese wohnt seit 1965 in der kleinen Gemeinde unweit der Bundesstraße 242. Die Liebe hat den heute pensionierten Lehrer auf den schmucken Vierseitenhof neben dem Dorfteich geführt. „Ich habe in Abberode unterrichtet“, erzählt der 74-Jährige.

Burgsdorf, Friedrichrode, Neuglück - Orte, die nicht jeder gleich auf der Landkarte findet. In ihnen leben teils deutlich weniger als 200 Einwohner. Und doch gibt es interessante Geschichten. Wir haben uns im Landkreis Mansfeld-Südharz auf die Suche begeben. Die Resultate werden in unregelmäßigen Abständen in der Zeitung veröffentlicht. (mz)

In den Winterferien 1990 ist in dem Ritzgeröder Nachbarort die damals neu gebaute Schule bezogen worden. „Heute hat dort eine Elektrofirma ihren Sitz“, so Giese weiter. Längst fahren die Kinder und Jugendlichen nach Wippra oder Mansfeld in die Schule.

Der Ortsbürgermeister Stedtler kann die Zahl der Mädchen und Jungen an zwei Händen abzählen. „Es sind neun“, sagt er. Das klingt nach wenig, macht aber gut zwölf Prozent der Einwohnerzahl aus.

Ritzgerode: Dorfgemeinschaft hält zusammen, auch auf dem letzten Weg

Stedtler beschreibt seine Gemeinde als lebenswert. „Ich kann mir nicht vorstellen, in der Stadt in einem Neubaublock zu wohnen. Ich bin hier geboren, groß geworden und ich möchte hier begraben werden.“ Die Trauerhalle am kleinen Friedhof bietet 50 Plätze. Da, wo jeder jeden kennt, ist also auch auf dem letzten Weg die Dorfgemeinschaft zusammen. Die Häuser im Ort sind weitgehend in Schuss. Die Straßen und Wege sowieso.

Stedtler, mittlerweile 24 Jahre Bürgermeister, erzählt, dass bis 2001 eine halbe Millionen D-Mark in die Dorferneuerung geflossen sind. Neue Wasserleitungen seien damals in die Erde gekommen, auch Telefon- und Stromkabel. Straßen und Wege erhielten neue Beläge. Die Brücke über die Eine wurde erneuert. Vor ein paar Jahren wurden die Haushalte noch an das Klärwerk angeschlossen.

Ritzegrode: Kleiner Ort im Mansfelder Land ist gut versorgt

Alles gut also? Nicht ganz. „Jetzt geht es nur noch ums Erhalten. Für Neues ist kein Geld da“, sagt Stedtler. Ritzgerode gehörte einst als Ortsteil zu Wippra, später zur Verwaltungsgemeinschaft Quenstedt. Jetzt ist das kleine Dorf ein Ortsteil von Mansfeld. Stedtler ist überzeugt, dass Dörfer wieder wachsen werden. „In den Städten steigen die Mieten ja fast ständig. Und es gibt Dörfer wie unseres, da sind die Grundstückspreise erschwinglich.“

Das Argument der angeblich schlechten Versorgung oder Verkehrsanbindung könne er nicht teilen. „Dreimal in der Woche kommt der Verkaufswagen vom Bäcker, ein Fleischerauto kommt und in regelmäßigen Abständen ein Fischhändler. Und in Ritzgerode sind fast alle mobil.“ Dann schwingt sich Stedtler auf sein rotes Quad. „Mein Dienstfahrzeug“, lacht er und braust los. (mz)

Anna Krieger und Christian Klimm vor einer der Feldküchen.
Anna Krieger und Christian Klimm vor einer der Feldküchen.
Liedmann
Rainer Stedtler auf dem Quad
Rainer Stedtler auf dem Quad
Liedmann