Molmerswende Molmerswende: Ein Kino in der Kneipe

Molmerswende - Einmal im Monat, an einem Samstag, verwandelt sich die Gaststätte „Zur Tenne“ in Molmerswende in einen Kinosaal. Dann ist wieder Helmut Göldner mit seinem über 20 Jahre alten VW-Transporter im Dorf zu Gast. Der 70-Jährige aus Sieglitz bei Könnern hat einen Gewerbeschein als mobiler Filmvorführer. In Dörfern und auch in Großstädten ist er unterwegs, um dem Publikum alte und neue Streifen anzubieten. Er bedient sich moderner Vorführtechnik, aber auch alte Apparate kommen zum Einsatz, die er für ihre Zuverlässigkeit schätzt.
„Die Bude war gerammelte voll“
Molmerswende hat seit dem Jahr 2000 einen festen Platz in Göldners Terminkalender. Eingefädelt hat das Ganze Henry Strache, „Tenne“-Betreiber und heutiger Ortsbürgermeister. Um einerseits etwas Leben ins Dorf zu bringen und andererseits die Gaststätte attraktiver zu machen, hatte Strache Kontakt zum Filmvorführer aufgenommen und ihn gebeten, seine Touren auf Molmerswende auszudehnen. „Wie viele Einwohner habt ihr denn?“, erkundigte sich der geschäftstüchtige Göldner. „Was, ein kleines Dorf? Komme ich nicht.“ Strache blieb hartnäckig. Und Göldner gab nach. „Die Bude war gerammelte voll“, erinnert sich Strache an die erste Vorführung.
Helmut Göldner reist mit seinem alten VW-Transporter sowohl in Dörfer als auch in große Städte wie Halle oder Chemnitz. In Chemnitz zum Stadtfest habe er 1 800 Besucher gehabt, freut sich der Filmvorführer. Und in Halle habe er einen alten Film aus den 30er Jahren für einen einzigen Zuschauer gezeigt - für den mexikanischen Botschafter, der als Ehrengast die Saale-Stadt besuchte.
Im Mansfelder Land führte er Filme zum Beispiel in Helbra vor. „Zweimal pro Jahr bin ich dort“, sagte der 70-Jährige. Das nächste Mal ist eine Fahrt nach Helbra mit einem Kinderfilm am Nikolaus-Tag geplant.
Auch an einem Wiesenfest in Eisleben nahm der Filmvorführer nach eigenen Angaben teil. Eine 15x8 Meter große Leinwand habe er dort aufgebaut. Leider konnte er nicht genau sagen, wann es war.
Der nächste Besuch in Molmerswende ist bereits geplant. Am 6. Dezember gibt es in der „Tenne“ wieder drei Filme zu sehen.
Seitdem bringt Göldner einmal im Monat drei Filme nach Molmerswende mit. Wie am vergangenen Sonnabend. Da gab es einen Trickfilm für Kinder. Und anschließend zwei französische Streifen. Nicht nur Einwohner von Molmerswende, sondern auch Zuschauer aus umliegenden Dörfern nutzen den Film-Service. Zum einen, weil dieser preisgünstig ist: Kinder zahlen drei Euro, Erwachsenen fünf. Und außerdem braucht man nicht den weiten Weg in die großen Kinos nach Sangerhausen oder Aschersleben anzutreten. Und man kann beim Zuschauen auch noch essen und trinken. „Manche machen daraus Familien-Filmtage“, berichtet Strache.
Vorführer ist Teil des Unterhaltungsprogramms
Nicht nur die Filme, sondern auch der Vorführer selbst ist Teil des Unterhaltungsprogramms. Denn Göldner ist ein lustiger Geselle. Gern gibt er Geschichten aus seiner fast 45-jährigen Tätigkeit im Dienste des Films zum Besten.
Zum Beispiel über ein Deal mit dem SED-Parteisekretär eines Betriebs, in dem Göldner den sowjetischen Mehrteiler „Die Befreiung“ vorführen sollte. Der Parteisekretär hatte wiederum die Aufgabe, das Publikum zusammenzutrommeln, was ihm wohl zu mühsam war. Deshalb kaufte er alle 500 Karten mit Geld aus der Betriebskasse ab und schickte Göldner nach Hause. Der freute sich darüber und über die Prämie, die ihm für die Propagierung der sowjetischen Filmkunst nun sicher war.
Gern berichtet der 70-Jährige auch darüber, dass er als Filmvorführer seinerzeit bei Mädchen sehr erfolgreich war. „Einmal wurde ich in einem Dorf von jungen Männern fast gesteinigt“, schmunzelt er. „Die riefen: ,Hau ab, wir treten unsere Hühner selber.’“
Früher hatte Helmut Göldner eine Sieben-Tage-Arbeitswoche. Heute sind es vier Tage. In der Regel ist es älteres Publikum, das in seine Vorstellungen kommt. „Die Jugend haben wir komplett ans Internet verloren“, sagt Göldner. „Dort kann man sich doch jeden Film anschauen. In ein paar Jahren sterben die Kinos aus.“
Er selbst wolle aber noch weitermachen. Vielleicht, bis er 80 werde, schmunzelt der Rentner. Demnächst will der Filmvorführer seinem Publikum eine Nostalgie-Reihe anbieten. (mz)
