11. April 1945 11. April 1945: Als die Bomben auf Hettstedt fielen

Hettstedt - Es ist der 11. April vor 70 Jahren. Ein sonniger Tag. Doch in den Mittagsstunden heulen in Hettstedt plötzlich die Sirenen. Fliegeralarm. Alliierte Bomber ziehen über die Stadt und laden ihre todbringende Fracht ab. Der Hettstedter Marktplatz wird zum Ziel: Hunderte Gebäude und Wohnungen liegen danach in Trümmern, 51 Menschen sind ums Leben gekommen.
Den Bombenopfern wird an diesem Samstag in Hettstedt gedacht. Bei einer Gedenkveranstaltung im Ratssaal werden unter anderem Zeitzeugen und Angehörige über die Geschehnisse am 11. April vor 70 Jahren sprechen. Einer wird Michael Kirchner sein, dessen Vater an diesem Tag ums Leben kam. Der Sohn des damaligen Apothekers Werner Kirchner war da drei Jahre alt. 1991 erhielt seine Familie einen Brief von Alfred Hentschel. Darin schildert der Freund der Familie, was sich im Haus der „Löwen-Apotheke“, gegenüber gelegen vom damals zerbombten Kaufhaus Ballin, abspielte.
In Hettstedt wird am Samstag den Opfern des Bombenangriffs gedacht. Pfarrer Sebastian Bartsch lässt um 12.03 Uhr die Kirchenglocken von St. Jakobi läuten. Um 16 Uhr findet eine Gedenkveranstaltung im Hettstedter Ratssaal statt. Dazu werden Schüler des Humboldt-Gymnasiums mit einem Vortrag die Ereignisse Revue passieren lassen, Zeitzeugen und Abgehörige der Opfer über Erlebnisse berichten.
„Gegen 11.35 Uhr gab es Fliegeralarm. Ich war damals ausgerüstet als Luftschutzwart mit der Aufgabe, Bewohner und Beschäftigte in den Bergkeller unterzubringen, Promenade 23“, schreibt Hentschel. Als die Sirenen schrillten, liefen der dreijährige Michael Kirchner, seine beiden Schwestern und die Mutter in den Keller im Hinterhof der „Löwen-Apotheke“, Markt 32. „Mein Vater war nicht dabei“, erinnert sich der Hettstedter. Werner Kirchner war im Kundenraum der Apotheke geblieben. Er hat wohl nicht damit gerechnet, dass Bomben in Marktnähe fallen würden, vermutet der Sohn.
Andere Zeitzeugenberichte
Doch dann: „Es hat unheimlich gekracht, das ganze Haus hat gewackelt. Eines weiß ich ganz genau: Von dem großen Heizofen im Keller flog die Klappe auf“, sagt der Apothekersohn. Auf der anderen Straßenseite war eine Bombe in das damalige Kaufhaus Ballin eingeschlagen. Laut anderer Zeitzeugenberichte kamen dort die meisten der insgesamt 51 Hettstedter Bombenopfer zu Tode.
Durch den Einschlag wurde auch das Gebäude der „Löwen-Apotheke“ in Mitleidenschaft gezogen. Die Fensterscheiben waren zerborsten und es brannte. Die Holzrahmen der Fenster und die Türen standen in Flammen. Werner Kirchner wurde durch die großen, schweren Apothekenschränke, die durch den Bombeneinschlag umgefallen waren, tödlich verletzt und verstarb im Krankenhaus im Beisein seiner Frau. Dass die Kirchner-Kinder in Sicherheit gebracht wurden, dafür hatte Hentschel gesorgt. Frau Schöbel, die damals Lehrling bei dem Gartenbauingenieur war, habe ihm später erzählt, dass er sie beauftragt hat, die Kinder abzuholen. „Wir wurden in einen Keller an die Promenade gebracht“, erinnert sich Michael Kirchner.
Auch Luftschutzwart Hentschel machte sich auf den Weg zur „Löwen-Apotheke“. „Über die rauchenden Trümmer gelang es mir über Glassplitter und Schutt in die Räume zu gelangen“, schreibt er in seinem Brief. „Zuerst das Tuch vor Nase und Mund dann mittels der großen Feuerbatsche schlug ich die brennenden Fensterrahmen sowie Türen nach und nach aus.“ Noch heute erinnert im Haus der „Löwen-Apotheke“ ein Brandfleck in der Dielung an den Tag, als am 11. April vor 70 Jahren in Hettstedt die Bomben fielen. (mz)