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100 Jahre Spielmannszug in Hettstedt 100 Jahre Spielmannszug in Hettstedt: Wie Ziegen beim Neubeginn halfen

Von Tina Edler 26.06.2019, 05:00
Ein Gruppenbild des Hettstedter Spielmannszugs aus dem Jahr 1955
Ein Gruppenbild des Hettstedter Spielmannszugs aus dem Jahr 1955 Verein

Hettstedt - „Mein Gott ist das lange her. Das waren noch Zeiten“, sagt Roni Zwanzig beim Blick auf die alten Schwarz-Weiß-Aufnahmen vom Hettstedter Spielmannszug. Zwanzig war einst selbst Mitglied, war Flöter und Bläser im Verein.

„Vorher war ich im Fanfarenzug aktiv und bin 1949 dem Spielmannszug beigetreten“, erzählt der heute 89-Jährige. Damals sei man gerade dabei gewesen, den Verein wieder aufzubauen. Denn während des Zweiten Weltkriegs lag die Vereinstätigkeit viele Jahre brach.

Anschluss an Betriebssportgemeinschaft

„Doch nach dem Krieg hat man den Spielmannszug in Molmeck wieder aufgebaut“, erzählt Zwanzig. Und gemeinsam mit der Feuerwehr Burgörner-Altdorf wurde somit auch der Spielbetrieb wieder aufgenommen.

Mit der Gründung der DDR 1949 kamen sogenannte Betriebssportgemeinschaften auf. Und einer solchen schlossen sich dann die Hettstedter Musiker an und wurden Teil der Betriebssportgemeinschaft „Stahl“ Walzwerk Hettstedt.

Vor allem Karl Bode, Heinrich Paul, Karl Schmidt, Alfred Wiegand und Otto Koch seien zu jener Zeit die Spielleute gewesen, die einen großen Anteil an der Neugründung der Musikvereins hatten, weiß Klaus-Dieter Graul, Vereinsvorsitzender beim Hettstedter Spielmannszug „Blau-Weiß“, zu berichten.

Spielmannszug als Familienunternehmen

Dabei wurden, wie es heute noch der Fall sei, Verwandte und Bekannte zum Verein geholt. So auch bei Familie Koch. Vater, Sohn, Cousin: „Viel Männer aus unserer Familie waren dabei“, berichtet Alfred Koch. Der heute 84-Jährige war selbst als Trommler im Verein tätig.

„Eigentlich habe ich als Kind Geige gelernt. Doch als ich Probleme mit dem Gehör bekam, musste ich das aufgeben“, sagt er. Über seinen Onkel Otto Koch kam er als Jugendlicher dann in den Spielmannszug. „Das waren super Zeiten und Erlebnisse im Verein. Das waren für mich die schönsten Jahre damals“, erinnert sich der Senior zurück.

Vor allem die Wettkämpfe und großen Treffen sind ihm und den anderen ehemaligen Mitgliedern gut im Gedächtnis geblieben. Das erste Deutschlandtreffen in Berlin 1950 fällt da sofort als Stichwort.

„Alle wollten Trommler werden“

„Das waren Gänsehautmomente, wenn die ganzen Spielleute gemeinsam aufgetreten sind und zusammen gespielt haben“, sagt Roni Zwanzig mit leuchtenden Augen. Und noch heute werden Melodien mitgesummt und die Füße wippen im Takt zu den Märschen, wenn irgendwo ein Spielmannszug auftritt, gesteht Eberhard Rödiger.

Anfang der 50er Jahre trat der heute 77-Jährige den Hettstedter Spielleuten als Trommler bei. „Alle wollten damals Trommler werden, ich natürlich auch“, sagt er mit einem breiten Lächeln. Seit dieser Zeit habe sich aber vieles geändert. Die Musik und auch die Instrumente der Spielleute seien mittlerweile moderner geworden.

Die Trommeln beispielsweise waren früher mit Naturfell bespannt, erinnert sich Eberhard Rödiger. „Wenn es bei einem Auftritt geregnet hatte und die Trommeln wurden nass, dann hat sich das total dumpf angehört, wenn wir gespielt haben“, sagt er.

Spielmänner fürs Leben geblieben

Das Fell für die Trommeln kam dabei teilweise aus eigener Herstellung, weiß Roni Zwanzig zu berichten. „Wir hatten ganz am Anfang Mitglieder, die haben sich extra Ziegen dafür gehalten“, sagt er. Außerdem wurden alte Gürtel zu Schulterriemen für die Trommeln umfunktioniert und auch die Schlagstöcke wurden in den heimischen Werkstätten selbst gebastelt.

Doch eins, da sind sich die Musiker einig, bleibe immer gleich: „Spielmann bleibt man für immer. Das ist eben wie ein Virus“, sagt Eberhard Rödiger. Und Roni Zwanzig fügt an: „Wir sind eben Spielmänner durch und durch und im Herzen immer noch dabei.“

Mittlerweile haben er und Alfred Koch ihre Trommelstöcke beziehungsweise die Flöte an den Nagel gehängt. Nur der jüngste in der Runde, Eberhard Rödiger, ist noch aktiv: „Ich spiele im Seniorenspielmannszug Sachsen-Anhalt. Wenn beispielsweise Landesmeisterschaften sind, treten wir in der Pause auf“, berichtet er stolz. (mz)

Alfred Koch, Roni Zwanzig und Eberhard Rödiger (v.li.) schwelgen in Erinnerungen an ihre Zeit beim Spielmannszug Hettstedt.
Alfred Koch, Roni Zwanzig und Eberhard Rödiger (v.li.) schwelgen in Erinnerungen an ihre Zeit beim Spielmannszug Hettstedt.
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