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Zufrieden mit dem zweiten Leben Zufrieden mit dem zweiten Leben: Halles Diskus-Olympiasiegerin Ilke Wyludda arbeitet und trainiert

28.10.2015, 09:01
Ilke Wyludda in Doha
Ilke Wyludda in Doha Imago Lizenz

Doha/Halle (Saale) - Die tragischen Anfänge sind bekannt: Nach der vierten Blutvergiftung im rechten Bein wusste die Medizinerin Ilke Wyludda, was die Stunde geschlagen hatte: Das Bein musste weg! „Es stand auf Messer Schneide zwischen Leben und Sterben“, erzählt die 46-Jährige ihr Schicksal am Rande der Behinderten-WM der Leichtathleten in Katar: „Ich stand vor der Wahl: Entweder das Bein verlieren, oder nicht mehr leben. Und dafür konnte ich mich doch nicht entscheiden.“

Knapp fünf Jahre später sitzt Ilke Wyludda in einem Hotel in Doha. Außer, wenn sie von den schwierigen Momenten erzählt, huscht der Hallenserin, die in ihrer „ersten Karriere“ als unnahbar galt, sogar ein Lächeln über das Gesicht. „Ich bin auf jeden Fall mit meinem Leben zufrieden“, versichert sie: „Ich würde den Weg vom Beginn meines Lebens bis jetzt wieder gehen.“

Der Sport hat sie gelehrt, hart zu sich selbst zu sein. Schon in ihrer Karriere als Diskuswerferin, die sie bis zum Olympiasieg 1996 in Atlanta gebracht hat, hatte sie 15 Operationen, saß 1997 schon einmal für vier Monate im Rollstuhl. All das half ihr nun, nach diesem schweren Schicksalsschlag, als im Dezember 2010 zuerst der Unterschenkel und dann ein weiteres Stück des rechten Beines amputiert werden musste.

„Der Leistungssport schult auch ein Bewusstsein für den Kampf“, sagt sie. Ihre Devise: „Du willst, du musst, du kannst. Versuch es, dann wirst du es irgendwie schaffen - diese Einstellung hat mein Leben schon immer geprägt.“ Also macht sie das Beste aus ihrer Situation. Sie arbeitet in der Unfallklinik Bergmanntrost in Halle - auch wenn es „auf jeden Fall schwierig“ ist, denn „die körperliche Belastung ist immens“.

Sport als Ausgleich

Doch gerade deswegen brauchte die frühere Leistungssportlerin einen Ausgleich: Sport. „Und da ich von Natur aus etwas faul bin, habe ich etwas gesucht, wo jemand hinter mir steht und mich antreibt“, sagt sie: „Jetzt weiß ich, dass meine Trainerin auf mich wartet. Also fahre ich hin.“ Und so wurde sie wieder Athletin, eine paralympische.

Auch eine erfolgreiche. Doch ein Paralympics-Sieg ist für die Olympiasiegerin „nicht unrealistisch, aber schwierig“. Dass die Leute das von ihr erwarten, kümmert sie nicht. „Früher habe ich um den Sieg gekämpft. Jetzt kämpfe ich für mich. Und dann schaue ich, was dabei rauskommt.“

Und „paralympischer Sport ist eindeutig Hochleistungssport“, versichert sie: „Am Anfang hätte ich das auch nicht gedacht. Aber es wird genauso hart trainiert. Was bei mir dazukommt, ist, dass ich 42 Stunden die Woche arbeite. Das hatte ich früher nicht.“

Was am besten zeigt, dass der Sport heute etwas anderes ist: Der Diskuswurf ist „nicht mehr“ ihre Spezialdisziplin: „Dafür fehlt mir die Rotation in der Wirbelsäule. Aber ich habe ja jetzt die Kugel.“ Mit der holte sie bei ihrer ersten Para-WM in Katar Bronze, mit dem Diskus wurde sie am Dienstag Fünfte. Das ist nicht das Niveau ihrer ersten Karriere. Aber das macht Ilke Wyludda nichts aus. Sie hat Schlimmeres bewältigt. (sid/mz)