Zorn - Tod und Regen Zorn - Tod und Regen: Filmdreh wird vom Winde verweht

Halle (Saale) - Wie kriegt man Spannung hin? Und was ist das eigentlich - Spannung: Nur dieser atemlose Zustand, bevor das Ungeheuerliche passiert? Oder das Befreiende, die Auflösung aller Verwicklungen? Wer dieser Tage in Halle unterwegs ist, begegnet der Spannung auf Schritt und Tritt. Oder zumindest dem äußerst aufwendigen Versuch, Spannung herzustellen. Verspricht doch der Film „Zorn“, der hier dieser Tage nach dem Bestseller des Hallensers Stephan Ludwig gedreht wird, ein herausragendes Beispiel für TV-Film-Spannung irgendwo in der Zone zwischen Krimi und Thriller zu werden.
Doch Spannung hat in erster Linie auch mit Warten zu tun: Bestenfalls mit Warten mit Luftanhalten im Kino oder vor dem Fernseher - aber eben auch vorher schon, bei der Filmproduktion. Filmen sei hauptsächlich Warten - so hört man es am Filmset von fast jedem. Nur ob das Warten 70 oder 90 Prozent ausmacht, da schwanken die Angaben. Schwanken und Warten, das waren am Montag auch die wichtigsten Stichworte beim Dreh-Termin auf dem Markt. Und beides hatte mit dem Wind zu tun. Die entscheidende Aktion, die es zu filmen galt, war ein Sturz vom Turm - von der Brücke zwischen den Hausmanntürmen der Marktkirche genauer gesagt.
Warten auf Regen
Doch das Drehteam schwankte - innerlich und buchstäblich auch äußerlich - wegen des immer wieder „böig auffrischenden Windes“, wie es die Wetter-Kollegen des MDR-Fernsehteams wohl formuliert hätten. Würde besagter Wind die herabstürzende Filmfigur nicht womöglich bis in eine der benachbarten Kneipenmeilen segeln lassen? Dann wäre die „Zorn“-Leiche womöglich filmklassikertitelgemäß „vom Winde verweht“ worden. Das freilich wollte Regisseur Mark Schlichter dann doch nicht riskieren.
Aber der Wind war (und ist) hier nicht das einzige Problem. Auch den für einen Film namens „Zorn - Tod und Regen“ so dringend nötigen natürlichen Guss von oben bleibt der ambitionierte Filmstandort Halle dieser Tage trotzig schuldig. Und das bei seiner Hochwasser-Vorgeschichte und der Tatsache, dass das erste Zorn-Buch nebenbei fast so was wie ein Krimi zur Flut ist. Wer den Autor Stephan Ludwig am Montag beobachtet hat, dem kam schon mal der Verdacht, dass ein vierter oder fünfter Zorn-Krimi demnächst „Zorn - Tod bei Windstärke 7“ heißen könnte.
Doch ganz egal, wie der übernächste heißt und ob und wann der nächste von den bisher drei erschienenen Ludwig-Krimis gedreht wird („angedacht ist es“, sagt MDR-Krimi-Redakteurin Stephanie Dörner) - ein Mann dürfte auch dann ziemlich sicher mit dabei sein: Bernd Weikert heißt er und war ehemals Elite-Polizist beim Sondereinsatzkommando SEK.
Gibt es eine Fortsetzung?
Dieser Weikert war immer auch Film-Fan und hat schon in seiner aktiven Dienstzeit öfter bei Drehs mitgewirkt - bis ihn die Filmerei nicht mehr losließ. Heute ist er Chef seiner Firma „Leon - Actionteam SEK, Polizei“ und rüstet praktisch alle Krimiserien und Filme mit Polizeiautos, Uniformen, Handschellen, Waffen und ähnlichem aus. Und bei spezialisierteren Filmeinsätzen bringt der Berliner auch gleich noch die Darsteller mit. Ihm zur Seite steht Volker Littwin, der ebenfalls in Berlin ein Spezialeffekte-Atelier betreibt und den Schauspielern schon mal zeigt, wie man mit Waffenrequisiten so umgeht, dass alles wie echt aussieht. Auch er ist in Halle mit am Start, steht mit vor der Kamera und springt mit aus einem der zahlreichen Autos von „Leon“, aus denen Bernd Weikert am Drehort mit wenigen Handgriffen quasi echte Polizeiautos zaubert.
Für Weikert ist Halle übrigens vertrautes Gelände. Beim „Polizeiruf 110“ mit Wolfgang Winkler und Jaecki Schwarz war er zuletzt immer dabei - und findet Halle auch als Krimistadt toll. Ob der MDR das demnächst wieder ähnlich sieht, hängt wohl nicht zuletzt vom Erfolg dieses Films ab. Dass „Zorn“ einer wird, da sind sich Regisseur, Produzent und nicht zuletzt Redakteurin Dörner einig: „Wir waren“, so sagt sie, „sofort elektrisiert. Die Handlung ist eine Klasse für sich.“ Dieser Meinung ist auch Stephan Ludwigs Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos), der den Krimi in wenigen Tagen gelesen hat und ihn „spitze“ fand. Dass auch die anderen „Zorn“-Krimis verfilmt werden müssen, ist für Wiegand (Hintergedanke: in Halle?) also klar.
Was außer dem Segen des Rathauschefs noch dafür spricht, ist Halles Theaterszene - die nebenbei die fähigsten Statisten hervorbringt. Einer von ihnen war am Montag Alexander Terhorst, der stumm einen Sensationsreporter aus der „Meute“ mimte. Doch Terhorst ist selbst erfolgreicher Schauspieler, Theaterregisseur und Radio-Nachrichtensprecher. Und er ist Mitautor der „Lindenstraße“-Bühnenparodie „240warm“. Kaum vorstellbar, dass Terhorst aus seinem „Zorn“-Komparsenauftritt nicht noch ein Spiel im Spiel - oder eine satirische Verlängerung macht. Halles Freunde des freien Theaters dürfen gespannt sein.