Zachow Stadtteilserie 2 Zachow Stadtteilserie 2: Die Silberhöhe

Halle (Saale)/MZ. - „Eben nicht”, sagt Ramona Müller, die wir am „Schneckenbrunnen” des Stadtteils treffen. Sie hat das Kiez-Porträt in der vorangegangenen Ausgabe gelesen und sagt: „Bei uns ist es viel grüner als im Paulusviertel.” Wenn man sich umblickt, kann man ihr nur Recht geben: Ein Band mit großzügigen Rasenfl ächen, Strauch- und Baum-Arealen, Spielplätzen und Kunstplastiken zieht sich vom Gesundheitszentrum im Norden der Silberhöhe südwärts hinunter bis nach Beesen.
Der sogenannte zentrale Grünzug hat es auch Frank Motzki angetan, der in seiner Silberhöhen-Hymne die Vision einer Waldstadt besingt. „Schon heute kann man an jeder Ecke Kaninchen rumfl itzen sehen”, sagt der 62-Jährige. Alles also im grünen Bereich? Nein. Denn auch wenn die Innenwahrnehmung der Bewohner sehr viel positiver ausfällt als die mitunter Klischee-geprägte Einschätzung von außen, hat der Stadtteil in Halles Süden mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen. Problemen, die im Grunde bereits mit dem Bau der Großwohnsiedlung angelegt wurden.
Das DDR-Wohnbauprogramm
Bis weit in die 70er Jahre war auf der Silberhöhe (der Name leitet sich unserem Leser Helmut Wiebach zufolge von einem angeblich dort vergrabenen Silberschatz ab) nichts. Beziehungsweise landwirtschaftlich genutzte Freifl äche. Dann kam das Wohnungsbauprogramm der damaligen DDR-Führung und mit ihm das ambitionierte Ziel, bis 1990 jede Familie mit einer eigenen Wohnung zu versorgen. Weil aus Geldmangel das Prinzip „Masse statt Klasse” galt, wurden in der Silberhöhe zwischen 1979 und 1990 in Windeseile knapp 15 000 Wohneinheiten für bis zu 45 000 Einwohner aus dem Boden gestampft.
In die Wohnungen zogen, durch die sozialistische Familienpolitik bevorzugt, vor allem junge, oftmals in den nahegelegenen Buna-Werken beschäftigte Ehepaare mit Kindern. Ein Problem war von Beginn an, dass die Schaff ung der nachgelagerten Infrastruktur wie etwa Versorgungs- und Freizeitmöglichkeiten oder auch die Gestaltung der Freifl ächen, mit dem Rekordtempo des Wohnungsbaus nicht Schritt hielt. In dieser Zeit hatten die stigmatisierenden Begriff e wie „Schlafstadt”, „Wohnklos” oder eben „Betonwüste” ihren Ursprung.
Zwei Drittel Einwohner verloren
Während die trockenen und fernbeheizten Neubauwohnungen zu DDR-Zeiten angesichts der maroden Altbausubstanz begehrt waren, kehrte sich nach der Wende das Bild: Wer es sich leisten konnte, zog in ein Eigenheim in den „Speckgürtel” rund um Halle. Im Zusammenspiel mit jobbedingten Weggängen und dem Auszug der inzwischen erwachsenen Kinder sank die Einwohnerzahl von ihrem Maximalwert von 40 000 im Jahr 1990 bis heute um nahezu zwei Drittel. Die Folge waren erhebliche Leerstandsquoten, die in der Spitze mehr als 30 Prozent erreichten. Um diesem „Nurnicht- als-letzter-übrig-bleiben-Eff ekt”, wie ihn Karsten Golnik vom halleschen Stadtplanungsamt benennt, Einhalt zu gebieten, wurde ab der Jahrtausendwende mit dem Abriss und dem Rückbau begonnen.
Parallel wurden die Anstrengungen bei der weiteren Ausgestaltung des zentralen Grünzugs und der von den Wohnblocks umgebenen Innenhöfe intensiviert. Nach dem selektiven Wegzug ist vor allem die Erstbezieher-Generation in der Silberhöhe geblieben. Damals Mitte/Ende zwanzig, gehen sie heute vielfach auf das Rentenalter zu und wissen solche grünen Oasen der Ruhe ganz besonders zu schätzen. Bestens vernetzt kennen sie den Kiez wie ihre Westentasche und schwören auf die kurzen Wege: „Zu meinem Hausarzt im Gesundheitszentrum brauche ich nicht einmal fünf Minuten. Und ich habe hier einen richtigen Einkaufspalast”, sagt Roswitha Schulz, der wir im E-Center an der Weißenfelser Straße begegnen. „Ich bekomme alles, sogar einen Fischstand gibt es. Es ist bestimmt kein Zufall, dass auch viele Leute aus Beesen und der Rosengarten-Siedlung hierher zum Einkaufen und Bummeln kommen”, meint die rüstige ältere Dame.
Angebote für die Älteren
Überhaupt wird den Bedürfnissen der älteren Bevölkerungsgruppen mehr und mehr Rechnung getragen. Die Wohnungsgenossenschaften haben eine ganze Reihe von Wohnblocks spezifi sch für altersgerechtes, teilweise betreutes Wohnen saniert. In die einstigen Kindertagesstätten ist mit soziokulturellen Zentren und Begegnungsstätten neues Leben eingezogen. Wie etwa die „Schöpfkelle“, die Mittagstisch, Sprach- und Sportkurse, Spiele-Abende, ja, sogar ein kleines Kino anbietet. Freilich: Für jüngere Leute dürfte das stärkste Argument Pro Silberhöhe allenfalls in den günstigen Wohnungsmieten liegen. Es gibt nicht eine einzige Kneipe. Selbst Anreize wie halbierte Kaltmiete habe es schon gegeben, weiß Susanne Knabe, Sprecherin des Arbeitskreises Geographische Wohnungsmarktforschung: „Insgesamt lässt sich noch nicht seriös prognostizieren, wie sich die Silberhöhe langfristig entwickeln wird.” Frank Motzki hält mit seiner Silberhöhen-Hymne dagegen:
„Manche sind schon weggezogen, Suchten sich ein neues Heim, Bleib doch in der Waldstadt wohnen, Denn wir wollen treu dir sein. Vögel werden Nester bauen, Und sie zwitschern manches Lied, Hasen kann man heut’ schon schauen, Unseren Stadtteil haben wir lieb.”