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Wohnen am Hasenberg Wohnen am Hasenberg: Im Takt der Glocken

Von Silvio Kison 04.09.2017, 12:16
Andreas Mücksch (l.), Christoph Eichert (2.v.l.), Friedhelm Kasparick und Ulrike Germann.
Andreas Mücksch (l.), Christoph Eichert (2.v.l.), Friedhelm Kasparick und Ulrike Germann. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Man kommt an ihr kaum vorbei, wenn man das Paulusviertel durchquert: die Pauluskirche, die im Zentrum des Stadtteils auf dem so genannten Hasenberg steht. Und das ist auch kein Zufall, denn immerhin wurde das Viertel zusammen mit der Kirche erdacht: Rund um den „Hasenberg“ nämlich, auf dessen Spitze die Pauluskirche steht, entstand kurz vor 1900 auf dem Reißbrett das so genannte „Kaiserviertel“. Bis die Pauluskirche fertig war, fanden Gottesdienste in der benachbarten Stephanuskirche statt. Die vier Glocken der Pauluskirche läuteten zum ersten Mal am 2. November 1902. Zur Einweihung im Jahre 1903 soll auch Auguste Viktoria, Gattin von Kaiser Wilhelm II., dabei gewesen sein.

Mehr als 100 Jahre ist der Bau nun her und das Viertel und die Gemeinde sind mit Leben erfüllt: Die evangelische Paulusgemeinde hat derzeit 2.500 Mitglieder und ist mit einem Durchschnittsalter von 37 Jahren recht jung. Das sind aber nur die, die Kirchsteuer zahlen und so gezählt werden können. „Wir haben aber auch sehr viele, die zusätzlich noch in den Chor kommen und zu den Veranstaltungen, die wir nicht mitzählen. Da kann man gut noch einmal 1.000 Mitglieder dazu zählen“, sagt Pfarrer Friedhelm Kasparick, der sich die Pfarrstelle mit seinem Kollegen Pfarrer Christoph Eichert teilt. Die Paulusgemeinde wurde schon im Jahr 1894 gegründet.

Etwa 12.000 Einwohner wohnen im Paulusviertel

„Wir haben in den einzelnen Gemeinden in der Stadt verschiedene Profile und unser Schwerpunkt ist die Familien- und Kinderarbeit“, sagt Pfarrer Friedhelm Kasparick. Das wundert kaum, denn immerhin ist das Paulusviertel nicht nur heute als Stadtteil mit vielen jungen Familien bekannt. Bereits zu DDR-Zeiten war das Paulusviertel besonders bei Akademikern und Ärzten beliebt. Ungefähr 12.000 Einwohner zählt das Paulusviertel aktuell. Besonders beliebt ist die Gegend noch immer bei Angestellten und Akademikern. Das wundert nicht, denn vor allem für Professoren, Beamte und Angestellte wurde es errichtet. Und die Kirche hatte sich bereits zu DDR-Zeiten als kulturelles Zentrum gemausert.

„Wir bieten ein breites Angebot an musikalischer Ausbildung und Projekten“, sagt Kantor Andreas Mücksch. Die Kirche ist damit auch ein Begegnungsort, denn die Angebote werden nicht nur von den offiziellen Gemeindemitgliedern genutzt. Grund: Die große Bandbreite an Angeboten. „Wir verstehen uns auch als Kulturorganisation“, meint die Vorstandsvorsitzende des Gemeindebeirates, Ulrike Germann.

Sie selbst ist vor 14 Jahren mit ihrer Familie ins Paulusviertel gezogen. „Ich bin hier mit meiner Familie mit offenen Armen aufgenommen worden“, sagt die Mutter von drei Kindern. Sie selbst engagiert sich seither in der Gemeinde. So bietet die 50-Jährige sechs Mal im Jahr einen „Krabbelgottesdienst“ an. Dabei beginnen alle den Sonntagsgottesdienst gemeinsam, danach aber teile man sich in Erwachsene, Jugendliche und Krabbelkinder auf. „Wir behandeln dann eine für Kinder um die zwei Jahre einfache und begreifbare Geschichte“, sagt sie. Danach bastle oder male man noch gemeinsam. „Am Ende kommen alle zum gemeinsamen Gottesdienst zusammen und man zeigt sich, was man gemacht hat“, sagt Ulrike Germann.

Eventgottesdienste in der Paulusgemeinde sind beliebt

„Wir haben zudem die Chance genutzt, Leute in unsere Gottesdienste zu locken, die ansonsten zu traditionellen Gottesdiensten nicht kommen würden“, erklärt Andreas Mücksch. Dazu zählen beispielsweise Jazz- oder Literatur-Gottesdienste. „Bei solchen Eventgottesdiensten haben wir oft doppelt so viele Besucher wie bei normalen Gottesdiensten“, so Mücksch. Dazu zählen dann auch die unterschiedlichen Chöre, die die Kirchengemeinde für alle Altersgruppen sowie Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern anbietet. „Unser Anliegen ist es auch, die Kirche zu öffnen für den Kiez“, sagt Pfarrer Friedhelm Kasparick.

Ein Beispiel dafür sei auch das diesjährige Sommerfest des Vikar Georg Bucher. Eine offene Kirche wäre dabei der Traum des Pfarrers. „Wir sehen die Kirche auch als einen Ort der Begegnung im Viertel“, betont der 55-Jährige. Er würde sich freuen, wenn man sich als Nachbarschaft mehr zusammenfindet und auch aufeinander achtet. Und auch die Räume der Gemeinde können die Bewohner des Stadtteils gerne nutzen, aber mit einer Eigeninitiative.

„Wir freuen uns, wenn sich Leute engagieren und stellen ihnen dafür auch gern die Räume der Gemeinde und die Kirche zur Verfügung“, sagt Kasparick. Die Initiative muss aber von den Bewohner des Viertels ausgehen. „Das ist mir ein Anliegen“, so der Pfarrer. So existiert der Arbeitskreis „Offene Kirche“, der dafür sorgt, dass die Pauluskirche im Sommerhalbjahr an Wochenenden und zu Feiertagen für ein paar Stunden geöffnet ist,

„Früher sind die Kinder mit dem Glockenläuten am Abend nach Hause gegangen“, sagt Andreas Mücksch. Und auch heute noch sieht man viele Eltern auf dem Spielplatz vor der Kirche pünktlich 18 Uhr, wie sie ihre Kinder nehmen und nach Hause gehen.