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Woche des Sehens Woche des Sehens: Leben lernen mit dem weißen Stock

Von Katja Pausch 17.10.2003, 17:57

Halle/MZ. - Zwei Prozent ihres Sehvermögens sind ihr geblieben, nachdem die 30-Jährige innerhalb von drei Jahren auf jedem Auge eine Netzhautablösung erlitten hatte. "Bis dahin war ich zwar auf Grund meiner zu frühen Geburt immer stark kurzsichtig, habe aber wie alle anderen Kinder die Schule besucht und später ein Fachabitur gemacht, um zu studieren", erzählt Ramona Klehn, Die fortschreitende Sehbehinderung erlaubte ihr dies nicht, und so erlernte die Norddeutsche den Beruf Industriekauffrau, den sie sieben Jahre lang ausüben konnte. Seit Juli diesen Jahres nun ist die junge Frau, die aus Parkenthin bei Rostock stammt und die sich nun im Berufsförderungswerk für Blinde und Sehbehinderte (BfW) für ihr Leben in der Dunkelheit wappnet, Hallenserin auf Zeit.

Dabei wollte Ramona Klehn nach der zweiwöchigen Arbeitserprobung im BfW "auf keinen Fall" bleiben, doch schnell war ihr klar: "Manche Sachen lernen sich eben leichter in der Gruppe." Inzwischen kennt die Mutter zweier Töchter - sieben und ein Jahr alt - die Wege innerhalb der Einrichtung in der Bugenhagenstraße recht gut, "doch rausgehen würde ich allein noch nicht". Dass sie das in nicht allzuferner Zeit doch tun wird, davon ist nicht nur ihr Mobilitätstrainer überzeugt.

Bei Mario Vollmar hat die junge Frau bereits den Gebrauch des weißen Stocks erlernt. "Ich habe das Ding anfangs strikt abgelehnt", gesteht Ramona Klehn, "doch inzwischen ist er unentbehrlich für mich geworden". Mit dem Hilfsmittel kann Ramona Klehn, die lediglich noch Schemen sowie Hell-Dunkel-Erscheinungen wahrnimmt, selbstständig Wege und Treppen bewältigen.

Doch nicht nur die Mobilität ist für Sehbehinderte wie Ramona Klehn stark eingeschränkt. "Am schlimmsten ist für mich, keine Bücher mehr lesen zu können", meint sie, die früher eine Leseratte war. Doch statt zu klagen, lernt sie mit unglaublicher Energie die Punktschrift und ist auf den Computerkurs mit der Braille-Zeile für Sehbehinderte gespannt, der im Januar beginnt. "Wenn ich den gut bewältige, kann ich mir später einen Beruf am Computer gut vorstellen."

Viel hat sie bis dahin noch zu lernen, doch viel hat Ramona Klehn in den vergangenen Monaten auch geschafft: Lebenspraktische Dinge wie Kochen, Einkaufen, Bügeln oder auch scheinbar einfache Dinge wie die tägliche Morgenhygiene gehen ihr inzwischen schneller von der Hand. Doch auch wenn sie in Halle viele Gleichgesinnte hat, mit denen sie sich beim Korbflechten oder Schwimmen trifft, die anstrengende wöchentliche Heimreise mit dem Zug ist für Ramona Klehn selbstverständlich, wartet doch die ganze Familie auf sie.