Lernen in Ruinen Wie Privatschulen in Sachsen-Anhalt an der Unterfinanzierung leiden

Halle (Saale) - Wenn Susan Föhre durch den Altbau ihrer Schule geht, graut es ihr an so ziemlich jeder Ecke. „Hier müsste überall etwas gemacht werden“, sagt die Geschäftsführerin des Trägervereins der Saaleschule in Halle.
Dann beginnt sie mit einer kurzen Aufzählung der Mängel: „Die Fenster und Türen schließen nicht mehr richtig, das Dach hat Löcher, Dichtungen beschließen, nicht mehr dicht zu sein, und in der Aula hebt sich das Parkett - manchmal so stark, dass ein Viertel des Raums gesperrt werden muss.“
Föhre schaut hilflos zu einer Wand, an der mehr Wasserflecken als Farbe zu sehen sind. „Wir probieren schon, so viele Schäden wie möglich zu beheben - auch mit viel Hilfe der Eltern.“
Probleme an Saaleschule in Halle: „Seit Jahren werden die freien Träger vom Land finanziell benachteiligt“
Aber immer nur Flicken gehe auf Dauer halt nicht. „Doch eine umfassende Sanierung können wir uns einfach nicht leisten“, sagt Föhre. Die Probleme der Saaleschule kennen so ziemlich alle Privatschulen in Sachsen-Anhalt.
Wo man in diesen Tagen auch anruft, hört man stets das gleiche Wehklagen: Geld fehle an allen Ecken und Enden. „Seit Jahren werden die freien Träger vom Land finanziell benachteiligt“, sagt Jürgen Banse.
Er ist Geschäftsführer des Verbands Deutscher Privatschulen Sachsen-Anhalt (VDP) - einer der vehementesten Kämpfer für die unabhängigen Bildungseinrichtungen.
Privatschulen in Sachsen-Anhalt: VDP vergleicht Zuschüsse für Schüler an privaten und staatlichen Schulen
Die besuchen derzeit 25.000 Schüler im Land. „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Regierung für diese Schüler genug Verantwortung übernimmt“, sagt Banse.
119 Millionen Euro bezahlte Sachsen-Anhalt den Privatschulen im vergangenen Jahr. Zu wenig für den VDP. Um das zu beweisen, hat Banse eigene Berechnungen angestellt.
So schaute er, wie viel ein Schüler an einer freien Schule das Land kostet - und verglich das Ergebnis mit den Ausgaben für einen Schüler an einer staatlichen Schule.
Privatschulen in Sachsen-Anhalt erhalten 45 Prozent weniger für Schüler als öffentliche Schulen
„Heraus kam, dass Sachsen-Anhalt so wenig Geld für die Privatschüler ausgibt, wie kein anderes Bundesland“, sagt Banse. Es seinen 45 Prozent weniger als für Schüler einer öffentlichen Einrichtung.
Die Berechnung beruht zwar auf Zahlen aus dem Jahr 2014 - neuere gibt es nämlich nicht. Und sie beachtet nicht den finanziellen Aufwand, den das Land für die Schulverwaltung hat.
„Aber wir wollen ja finanziell auch gar nicht zu 100 Prozent gleichgestellt werden“, sagt der VDP-Geschäftsführer. „Aber 75 oder 85 Prozent wären schon gut.“
Berechnungen des VDP für Privatschulen in Sachsen-Anhalt stoßen auf taube Ohren
Beim Land stieß Banse mit seinen Berechnungen auf taube Ohren - ebenso wie mit zwei Gutachten anerkannter Juristen. Die ließ der VDP erstellen, um die Rechtmäßigkeit der Finanzierung zu untersuchen.
„Und beide Gutachten haben klar gezeigt, dass die derzeitige Regelung verfassungswidrig ist.“ Beim Land verursachten die Gutachten aber höchstens Schulterzucken - wenn überhaupt eine Regung kam.
Dieses Desinteresse hat Folgen. Gut sehen kann man die in der Saaleschule. In diesem Jahr feiert die ihren zehnten Geburtstag. 2008 startete die Schule als Idee mehrere Eltern.
Saaleschule in Halle: Privatschule als Antwort auf Unzufriedenheit mit staatlichem Bildungsangebot
Deren Kinder hatten einen sonderpädagogischen Förderbedarf, waren jedoch dem Grundschulalter entwachsen. Weil sie mit dem staatlichen Bildungsangebot nicht zufrieden waren, gründeten die Eltern einen Verein.
Die Saaleschule war geboren und setzte fortan auf ein inklusives Unterrichtsmodell. Die Schüler werden nicht als einheitliche Masse gesehen, sondern jeder einzelne mit seinen Stärken und Schwächen gefördert. 2016 bekam die Schule für ihr Inklusions-Konzept den renommierten Jakob-Muth-Preis verliehen.
„2008 haben wir mit 18 Schülern begonnen, heute sind es 500“, sagt Geschäftsführerin Föhre stolz. Um Platz zu schaffen, wurde inzwischen ein Neubau errichtet.
Saaleschule in Halle: Im Altbau „zehn Jahre Sanierungsstau“
Und der ist das komplette Gegenteil des Altbaus: helle Flure, weiße Wände und ein Fußboden ohne Dellen. Durch die Expansion blieb allerdings das alte Schulgebäude auf der Strecke. „Wir haben hier zehn Jahre Sanierungsstau“, betont Föhre.
Warum es so schwierig ist, den aufzulösen, kann Jochen Muhs erklären. Er ist Hauptgeschäftsführer der Saaleschule. Ein Mann mit Vollbart und freundlichem Lachen, der nicht so wirkt, als wäre er gerne wütend.
Doch wenn es um das Engagement des Landes geht, wird er sauer: „Das wenige Geld, was wir haben, geben wir für den Schulbetrieb und die Mitarbeiter aus.“
Auch Lehrermangel bereit Privatschulen in Sachsen-Anhalt immer mehr Probleme
Rücklagen für Sanierungsarbeiten zu bilden, sei kaum möglich. Und das Stark-III-Programm, mit dem das Land die Schulsanierung fördert, könne die Saaleschule auch nicht nutzen.
„Da wird eine energetische Sanierung verlangt.“ Und die wäre beim Altbau so teuer, dass ein Eigenanteil von etwa 3,5 Millionen Euro gestemmt werden müsste. „Eine Schule, deren Träger ein Elternverein ist, kann das nicht aufbringen.“
Doch nicht nur bei den Gebäuden sind die Privatschulen im Hintertreffen. „Für uns wird es wegen des Lehrermangels auch zunehmend schwerer, Pädagogen zu gewinnen“, sagt Jochen Muhs.
Saaleschule in Halle: „Mit uns sind die Behörden rigoroser als mit staatlichen Schulen“
Das liege an finanziellen Erwägungen. „An staatlichen Schulen werden die Lehrer sofort verbeamtet und haben bis zu 1.000 Euro netto mehr im Portemonnaie.“
An der Saaleschule wird deswegen probiert, mit kostenlosen Weiterbildungen, einer betrieblichen Altersvorsorge und der Übernahme von Ausgaben für Lehrmittel zu locken - und natürlich mit dem Konzept.
„Derzeit haben wir eine Lehrer-Abdeckung von 110 Prozent“, sagt Muhs. Das sei besser als an den meisten staatlichen Schulen. Ausfallstunden könne man sich als freie Schule aber ohnehin nicht leisten, denn dann drohe schnell die Schließung der ganzen Einrichtung. „Mit uns sind die Behörden da rigoroser als mit staatlichen Schulen.“
Privatschulen in Sachsen-Anhalt: Bedingungen mitunter abenteuerlich
Noch läuft der Betrieb in der Saaleschule recht problemlos - auch wenn die Bedingungen mitunter abenteuerlich sind. „Aber ewig geht das mit dem Altbau nicht so weiter“, sagt Hauptgeschäftsführer Muhs.
Er habe auch registriert, dass die Politik derzeit über mehr Geld für die freien Schulen verhandelt. „Aber solange das nicht in einem Gesetz geschrieben steht, glaube ich nicht daran.“ Diesen Pessimismus hätten ihn die vergangenen Jahre gelehrt. (mz)