Benachteiligung bei Finanzierung Benachteiligung bei Finanzierung: Freie Schulen drohen dem Land mit Klage

Magdeburg - Der Konflikt um die Lage freier Schulen in Sachsen-Anhalt spitzt sich zu. Es geht um Geld und die Zulassung von Lehrern: Schulen in Trägerschaft von Kirchen und Vereinen fühlen sich durch das Land massiv benachteiligt. Der größte private Schulträger im Land, die katholische Edith-Stein-Schulstiftung, erwägt jetzt sogar eine Klage - ein Novum in ihrer Geschichte.
Strittig ist zum einen, wie viel Geld freie Schulen vom Land erhalten müssen. Sachsen-Anhalts Landesverfassung enthält eine weitreichende Zusage. Nach Artikel 28 Absatz 2 haben sogenannte „Ersatzschulen“ einen „Anspruch auf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen öffentlichen Zuschüsse“.
Faktisch aber ist dieser Anspruch stark eingeschränkt. Bereits zum zweiten Mal kommt jetzt ein juristisches Gutachten zum Schluss, dass das Schulgesetz dem Auftrag der Verfassung in zentralen Punkten nicht entspricht.
Probleme mit Privatschulen: Hier sollte Sachsen-Anhalt nachbessern
Frauke Brosius-Gersdorf, Jura-Professorin an der Uni Hannover und Mitglied im Verfassungsgerichtshof Sachsen, hat aufgelistet, wo Sachsen-Anhalt nachbessern muss. Ihr 15-seitiges Manuskript für einen Vortrag beim Verband Deutscher Privatschulen (VDP) Sachsen-Anhalt macht derzeit im Bildungsausschuss des Landtages die Runde. Die Juristin rügt unter anderem:
Verfassungswidrig ist nach Überzeugung von Brosius-Gersdorf auch, dass staatliche Schulen Lehrer regelmäßig auch in solchen Fächern und Schulformen einsetzen, für die sie nicht ausgebildet sind, während Privatschulen das verweigert wird.
Gerade diese Restriktionen seien existenzbedrohend, bestätigt VDP-Geschäftsführer Jürgen Banse. Jüngstes Beispiel: eine von Eltern aufgebaute Grundschule in Angern (Landkreis Börde). Sie darf eine Lehrerin in drei Fächern nicht einsetzen - obwohl die Frau genau diese Fächer in einer staatlichen Schule in Brandenburg bereits unterrichtet hat.
Der Fall sorgt nicht nur in dem Börde-Dorf für Empörung. „Das werden wir nicht auf sich beruhen lassen“, kündigt Banse an.
Bereits vor zwei Jahren hatte ein renommierter Jurist die Regeln für private Schulträger angegriffen. Winfried Kluth, Professor für öffentliches Recht an der Uni Halle und früherer Richter am Landesverfassungsgericht, arbeitete in einem 45-seitigen Gutachten für den VDP die Verstöße gegen die Landesverfassung heraus.
Der damalige Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) versprach, das Gutachten prüfen zu lassen. Geändert hat sich nichts.Selbst die sonst duldsamen Kirchen wollen nicht länger stillhalten.
Betreiber von Privatschulen prüfen Klagen gegen Sachsen-Anhalt
Die Edith-Stein-Stiftung, die etwa das Elisabeth-Gymnasium Halle und das Liborius-Gymnasium Dessau betreibt, prüft bereits die Chancen einer Klage. Jahr für Jahr fährt sie ein Defizit in siebenstelliger Höhe ein. „Die Kostenerstattung ist einfach zu gering“, sagt Stephan Rether, Leiter des Katholischen Büros in Magdeburg. „Seit Jahren sind wir im Gespräch mit der Politik, ohne jeden Erfolg.“
Bildungsminister Marco Tullner (CDU) hat dem Kabinett jetzt den ersten Entwurf für ein überarbeitetes Schulgesetz vorgelegt. Die Finanzierung freier Schulen hat er nicht angefasst. Er will erst ein Gutachten zu Schülerkosten abwarten - das war im Koalitionsvertrag vereinbart, der Auftrag ist allerdings noch immer nicht erteilt. „Der Landtag muss dafür erst einen Beschluss fassen“, erklärt Ministeriumssprecher Stefan Thurmann.
Eine Verbesserung verspricht Minister Tullner den privaten Schulen beim Einsatz ihrer Lehrer. Verbote wie im Fall der Schule Angern soll es künftig nicht mehr geben. „Wir wollen im Gesetz klarstellen: Was öffentlichen Schulen erlaubt ist, ist auch den privaten erlaubt“, sagt sein Sprecher. (mz)