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Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ Wie eine Hallenserin einem Kind das Kindsein ermöglicht

Sigrid Bach ist Seelenpatin. Was das bedeutet und welche Aufgaben sie für ein neunjähriges Mädchen übernimmt.

Von Silvia Zöller 29.04.2022, 18:00
Seelenpatin Sigrid Bach  (rechts) mit Projektleiterin Annika Menzel
Seelenpatin Sigrid Bach (rechts) mit Projektleiterin Annika Menzel Silvia Zöller

Halle (Saale) - Backen und Kochen, aber auch in den Zoo gehen und im Wald toben - das macht der neunjährigen Frieda (Name geändert) Spaß. Doch bislang gab es solche Freuden selten für das Mädchen, da ihre Mutter psychische Probleme hat und sich nicht so um ihr Kind kümmern kann, wie sie eigentlich möchte. Doch seit Januar 2021 – also inmitten der Corona-Pandemie - hat Frieda eine Seelenpatin. Sigrid Bach verbringt ein- bis zweimal pro Woche Stunden mit dem Mädchen und ermöglicht ihr das zu tun, was ihr Freude macht.

„Es geht dabei nicht darum, Probleme mit dem Kind zu wälzen“, berichtet die Rentnerin. „Ich möchte ihr vielmehr die Möglichkeit geben, einfach ein Kind zu sein, Freude zu haben, zu entspannen.“ Schon immer habe die ehemalige Versicherungsangestellte Kinder sehr gerne gemocht und so stand bei ihr fest: „Auch als Rentnerin möchte ich mich engagieren. Dabei war klar, dass es etwas mit Kindern sein soll.“

Pandemie war kein Problem für Patin und Patenkind

Dass die ersten Treffen mit Frieda in der Pandemie stattfanden, sei kein Problem gewesen - man habe sich einfach draußen getroffen, zuvor haben sich beide getestet. Ganz schnell fassten beide Vertrauen zueinander, „es war sehr einfach, mit Frieda in Kontakt zu kommen“, erinnert sich Sigrid Bach. Mit einer Bedingung: Die Neunjährige sagte gleich zu Beginn, dass ihr ein Zwei-Stunden-Treffen pro Woche zu wenig sei, so ihre Patin. Der gleichen Meinung war jedoch auch die sechsjährige Enkelin von Sigrid Bach, die sich schnell mit dem Mädchen angefreundet hat. „Beide freuen sich aufeinander und spielen zusammen“, freut sich Sigrid Bach mit den beiden.

Das Kind zu befördern und zu bestärken macht sie glücklich. Deshalb sagt sie nach einem reichlichen Jahr als Seelenpatin: „Kinder brauchen noch viel mehr Menschen, die ihnen Zeit schenken und das, was sie zu ihrer Entwicklung brauchen. Viele Familien können das nicht. Und da muss nicht nur der Staat etwas tun.“

Auch die Kindsmutter ist sehr dankbar für die Unterstützung und schätzt die ehrenamtliche Tätigkeit von Sigrid Bach sehr, berichtete Annika Menzel, die das Projekt „Seelensteine“ des Trägerwerk Soziale Dienste in Sachsen-Anhalt koordiniert und die Seelenpaten vermittelt. Zurzeit seien es 35 Paten, die sich um Kinder psychisch kranker Eltern kümmern. Immer sei auch das Jugendamt mit einem Familienhelfer in der Betreuung der Eltern und des Kindes oder der Kinder involviert; die Eltern müssen grundsätzlich damit einverstanden sein, dass eine Seelenpatin zusätzlich das Kind mindestens einmal im Monat trifft und mit ihm etwas unternimmt.

„Dieses Ehrenamt ist unbezahlbar“

„Die Ehrenamtlichen sollen kein Problemlöser sein, das ist Aufgabe der Fachkräfte“, erklärt Annika Menzel. Vielmehr sei die Zeit, die die Ehrenamtlichen gemeinsam mit dem Kind verbringen ein Geschenk für diese. „Dieses Ehrenamt ist unbezahlbar“, so Annika Menzel. Einmal im Monat gibt es auch Treffen der Paten, bei denen Austausch und Rat möglich ist. „Zweimal im Jahr bieten wir außerdem Treffen mit inhaltlichen Themen an wie etwa Prävention vor sexuellem Missbrauch oder zu psychischen Erkrankungen“, ergänzt sie.

Wer Seelenpate oder -patin werden möchte, sollte wie Sigrid Bach vor allem Zeit, Toleranz und Abgrenzungsvermögen mit bringen, da das Ehrenamt auch emotional sehr intensiv werden kann, sagt die Projektleiterin. Unter dem aktiven ehrenamtlichen Seelenpaten seien sowohl Studenten als auch Senioren zu finden. „Gerade in Pandemiezeiten ist es wichtig, dass Ehrenamtliche diese Kinder rausholen und Freizeit mit ihnen verbringen“, betont sie.