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Wasserspringen Wasserspringen: Plötzlich droht der tiefe Fall

Von Christoph Karpe 23.01.2012, 20:37
Katja Dieckow (Halle). (FOTO: ANDREAS LÖFFLER)
Katja Dieckow (Halle). (FOTO: ANDREAS LÖFFLER) NGEN

Halle (Saale)/MZ. - Der Meisterschafts-Vorkampf im Synchronspringen ist gerade beendet, da ruft Lutz Buschkow seine Trainer zusammen. Im Zimmer im ersten Stock der Neustädter Sprunghalle beraumt der Sportdirektor des Schwimmverbandes eine Nominierungsberatung an. Kaum einer der Männer wirft beim Treppensteigen einen Blick auf die Fotos an den Wänden, auf denen einst erfolgreiche hallesche Wasserspringer lächeln.

Eine halbe Stunde lang wird debattiert. Dann stehen die Athleten fest, die zum Weltcup nach London fliegen, um dort deutsche Startplätze für die Olympischen Spiele am gleichen Ort zu erobern.

Die 30 Minuten Entscheidungsfindung hätte es eigentlich gar nicht gebraucht. Die Wettbewerbe der nationalen Titelkämpfe brachten erwartbare Resultate. Die Spitze ist klein, die bekannten Namen setzten sich durch. Überraschend vielleicht nur, dass der 18-jährige Dresdner Martin Wolfram vom Turm Gold gewann.

Auch an Katja Dieckow führt in der Trainer-Diskussion kein Weg vorbei. Die Hallenserin war mit großartigen 345 Punkten hinter Nora Subschinski (350,45) Zweite vom Dreimeter-Brett geworden. Und nach der Beratungspause gewann sie mit Partnerin Uschi Freitag das Synchron-Finale. Jetzt müssen die WM-Fünften in London unter die besten Acht kommen, dann ist das Olympia-Ticket sicher.

Für Dieckow, 27, sollen die Sommerspiele der Abschluss der Karriere sein. Eigentlich. Sie hat ihr Biologie-Studium beendet, will promovieren und nach Berlin ziehen, der Liebe wegen. Halle verliert sein letztes Aushängeschild. "Allerdings möchten wir sie überreden, wenigstens noch ein Jahr lang im Synchronspringen für den SV zu starten", sagt Trainer Horst Wels.

Katja Dieckow kann sich die Zugabe vorstellen. Sie weiß, dass ihr Verein sie nebst ihrem A-Kader-Status benötigt, um weiterhin den Rang eines Bundes-Stützpunktes behalten zu können. Da möchte sie helfen.

Die Hilfe tut not. Derzeit ist Halle in der Rangliste der sechs deutschen Leistungszentren Vierter. "Immer noch haben wir neun Kader-Springer. Aber hinter Katja klafft eine Lücke", sagt Andreas Wels. Der einstige Europameister hat 2008 seine Karriere beendet. Jetzt ist er Nachwuchs-Trainer in Halle und kennt die Misere genau: "Jahrelang ist bei uns in der Talentsichtung viel verschlafen worden. Da wurde sich auf meinen und dann Katjas Erfolgen ausgeruht. So fehlen uns vier bis fünf Jahrgänge", sagt er knallhart. Dazu kommt: "Unsere Sportart hat es generell schwer. Wasserspringen verlangt unheimlich viel Training, finanzieller Ertrag steht nicht in Aussicht. Da schicken Eltern ihre Kinder lieber woanders hin", so Deutschlands Cheftrainer Buschkow.

In Halle heißen die hoffnungsvollsten Talente Tina und Carlo Leuchte, Nico Herzog und Isabell Utmann. Doch bis die heute 14-Jährigen in die Spitze gelangen, braucht es "viel Training mit Fingerspitzengefühl. Wir müssen die Jugendlichen fordern, dürfen sie aber nicht verheizen. Es ist ein Spagat", sagt Andreas Wels.

Seine größte Hoffnung ist Tina Leuchte. "Sie kann es schaffen, bei den Olympischen Spielen 2016 dabei zu sein", so der 37-Jährige. Doch nach Dieckows Abschied werden zunächst internationale Wettbewerbe im Senioren-Bereich ohne Hallenser über die Bühne gehen. Es wird also dauern, bis die Foto-Galerie erweitert werden kann.