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Wahrzeichen von Halle-Neustadt Wahrzeichen von Halle-Neustadt: Wie geht es mit den Scheiben weiter?

Von Silvia Zöller 24.02.2014, 20:47
Die Scheiben sind für viele die Wahrzeichen von Neustadt.
Die Scheiben sind für viele die Wahrzeichen von Neustadt. Felix Adler Lizenz

Halle (Saale)/MZ - An den Hochhausscheiben in Neustadt scheiden sich die Geister: Vier der fünf 18-Geschosser stehen seit vielen Jahren leer und verwahrlosen. Nur die Scheibe D ist saniert; unter anderem ist dort das Jobcenter untergebracht. Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hatte jüngst den Abriss ins Spiel gebracht, wenn bis zum Sommer 2015 kein Nutzungskonzept für die Bauten vorliege. Doch für viele Neustädter sind die Hochhäuser trotz allem das Wahrzeichen des Stadtteils.

Neben dem Halle-Neustadt-Verein hat sich auch der Bürgerverein Stadtgestaltung mehrfach für die Sanierung und den Erhalt der 18-Geschosser einsetzt - und jetzt einen konkreten Vorschlag gemacht: Wenigstens eine der Scheiben soll der kommunalen Neustädter Gesellschaft für Wohn- und Gewerbeimmobilien (GWG) zu einem niedrigen Preis verkauft werden und zu Wohnzwecken saniert werden. „Das ist keine Frage des Geldes, sondern eine der Positionierung - will die Stadt die Scheiben erhalten oder nicht“, so Udo Schumann vom Vorstand der Bürgerinitiative.

Ab 1970 sind die fünf Hochhausscheiben an der Magistrale entstanden. Erbaut wurden sie bis 1975 auch als Wohnheime für die Arbeiter in Leuna (Scheibe B) und Buna (Scheibe E) sowie als Studentenwohnheim (Scheibe D).

Die Häuser boten Wohnraum für jeweils rund 1.000 Menschen. Über vier Fahrstühle und zwei Treppenhäuser kamen die Mieter zu ihren Wohnungen.

Alle fünf Häuser haben dieselben Maße: rund 59 Meter Länge und rund 16 Meter Breite. Sie verfügen jeweils über 18 Geschosse.

Gebaut sind die Hochhäuser nicht in der sonst in Neustadt üblichen Plattenbauweise, sondern als Monolith. Das bedeutet, dass das Haus aus einem Stück um einen Kern herum gebaut wurde.

Lediglich die Außenwände bestehen aus Fertigteilen. Ein Abriss ist damit schwierig.

Heute haben die Scheiben unterschiedliche Eigentümer. Der Stadt gehört keines der Gebäude. Das Land versucht gerade über ein Bieterverfahren die Scheibe C abzustoßen.

Ist der Vorschlag machbar oder nicht? Die GWG, der größte Vermieter in Neustadt, sieht mehrere Probleme, wenn sich die Stadt zu diesem Schritt entschließen sollte:

Die Kosten: Es geht um Millionen. Die Kosten für Umbau und Modernisierung lassen sich nach derzeitigem Kenntnisstand nicht seriös beziffern, sagt GWG-Sprecherin Doris Henning. Damit relativiert die GWG auch die Zahl, die vom Finanzministerium für die Sanierung der Scheibe C angegeben worden ist: 22 Millionen Euro. Bezahlbare Mieten seien nur dann möglich, wenn Fördermittel für die Sanierung beantragt werden - aber auch dann muss die Stadt mindestens zehn Prozent als Eigenmittel dazuschießen. Weiter würden dann auch Investitionen der GWG in andere bestehende Wohnungen erheblich erschwert werden, weil die Scheiben-Sanierung hohe Summen binden würde. Und andere Sanierungsmaßnahmen wären damit gefährdet.

Der Zustand der Scheiben: Unklar ist, ob die Gebäude überhaupt noch als Wohngebäude zugelassen sind. Weil sie bereits über einen langen Zeitraum leer stehen, muss geklärt werden, ob sie im derzeitigen Zustand noch die bauordnungsrechtlichen Vorschriften eines Wohngebäudes erfüllen. Wenn das nicht der Fall ist, müssen sämtliche Installationen nach den aktuellen Bestimmungen erneuert werden: Wasserleitungen, Brandschutz, Aufzüge, Fluchtwege, Fassade, Fenster, Heizungsanlage.

Der Bedarf: Die GWG hat in den letzten Jahren 3.000 Wohnung in Neustadt abreißen lassen, um den Leerstand zu senken. Wenn man die Scheiben als Wohngebäude wieder nutzen würde, stellt sich für die GWG die Frage, ob es tatsächlich einen Bedarf für 1.000 bis 4.000 weitestgehend gleichartige Wohnungen konzentriert an diesem Standort in einem tendenziell weiter schrumpfenden Markt gibt. Zumal die GWG schon jetzt an der Magistrale einen leerstehenden Elfgeschosser mit 260 Wohnungen besitzt, für den ebenfalls eine Lösung gesucht wird.

Die Nutzung: Das bisher oft genannte Argument, in Halle seien zunehmend Studenten - und Seniorenwohnungen notwendig, sieht die GWG kritisch. „Die derzeitige Zahl der in Halle Studierenden wird nicht weiter steigen, da die Kapazitäten der Universität bereits weitgehend ausgeschöpft und auch Reduzierungen in der Diskussion sind“, so Doris Henning. Für eine Nutzung als Seniorenwohnungen sei aber ein weitgehend altengerechter Umbau der Bestandswohnungen erforderlich - dieser würde wiederum zu Mietpreisen führen, die nicht umsetzbar wären. Büroflächen sind nach den Erkenntnissen der GWG ebenfalls keine Alternative: dafür sei die Nachfrage zu gering. Auch das Land habe den Umbau der Scheibe C mit Verweis auf zu hohe Kosten abgelehnt.

Die Wirtschaftlichkeit: „Niemand hat bislang eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeit für die Hochhausscheiben vorgeschlagen“, sagt GWG-Sprecherin Henning. Zusammen mit der Baugenossenschaft Halle-Merseburg und dem Bauverein Halle-Leuna hat die GWG deshalb eine Idee entwickelt und gemeinsam mit der Stadt verwirklicht: In einem Studentenworkshop im März werden 60 internationale Studenten mit ihren Professoren in Halle nach weiteren Ideen für die Neustädter Scheiben suchen. Die jungen Wissenschaftler aus den Hochschulen in Dresden, dem niederländischen Delft, aus Krakau (Polen) und Gent in Belgien werden bei dem Workshop nach einem zukunftsfähigen Ansatz für die Wiedernutzung der Hochhäuser suchen.