Viele wissen nun nicht weiter
Halle/Saalkreis/MZ. - Doch auch dann bleibt der kinderlosen Witwe wenig zum Leben. "Manchmal weiß ich einfach nicht, wie ich den ganzen Monat über die Runden kommen soll."
Zwar konnte Christine Förster im konkreten Fall ein bisschen Klarheit schaffen, doch froh wirkt sie nicht. "Wir erfahren von so vielen Schicksalen, das lässt niemanden kalt. Mancher, der vor uns sitzt, kann die Tränen nicht zurückhalten." Sie kann ohnehin nachvollziehen, wie es in den Menschen aussieht, die ohne Stelle dastehen - und das seit vielen Jahren. Denn sie ist im Kommunikationszentrum mit neun weiteren Frauen in einem Projekt zur Beratung von ALG II-Empfängern nur befristet beschäftigt. Am 31. Januar endet die ABM.
"Dabei ist der Beratungsbedarf riesig", sagt Doris Raab, als Vorsitzende des Trägervereins Soziales Arbeiten und Lernen Halle die einzige fest angestellte Mitarbeiterin. Schon beim Ausfüllen der Anträge hätten viele Erwerbslose Hilfe gebraucht. Jetzt kämen sie, "weil sie mit ihrem Bescheid nicht einverstanden sind. Oder überhaupt nicht verstehen, was ihnen da die Agentur für Arbeit zugesandt hat." Am 1. August startete das Projekt, mehr als 2 500 Männer und Frauen kamen seitdem ins Kommunikationszentrum für Arbeitslose.
Am Nachbartisch von Christine Förster ist die nächste Beratung bereits im vollen Gange. Melissa Vogel, 61 Jahre alt, wird erst im März 2007 in Altersrente gehen. "Bis dahin muss ich mich über Wasser halten. Wie, das weiß ich nicht so richtig", sagt die Bennstedterin. Der 39-jährige Thomas Vogel, gelernter Maschinen- und Anlagenmonteur im Bereich Blechschlosserei, ist seit Juli vorigen Jahres arbeitslos. Wieder arbeitslos. Die Dauer der festen Stelle, die er zwischendurch hatte, reichte nicht, um einen erneuten Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben. "In die Arbeitslosenhilfe zu rutschen, geht ganz schnell."
Widerspruch eingelegt
Beide sind mit ihren Bescheiden nicht einverstanden. Die Beraterin sieht sich die Unterlagen genau an. Es wird gefragt und geantwortet, dann werden Zahlen aufs Papier geschrieben. Wenn die Arbeitsagentur die Widersprüche anerkennt - Pflichtversicherungen wurden nicht, Heizkosten ungenügend in die Berechnung einbezogen -, könnten es in Zukunft rund 120 Euro mehr sein. Das ist viel Geld für Mutter und Sohn. Werden ihre Bescheide nicht geändert, wollen Vogels erneut vorsprechen.
Frau geht leer aus
Bei einem halleschen Ehepaar wird das mit Sicherheit nicht der Fall sein. Der 52-Jährige hat Arbeit, seine zwei Jahre jüngere Frau keine. Ihr Antrag auf Arbeitslosengeld II wurde abgelehnt. Edda Fellgiebel hat sich das Schreiben angesehen und muss nun sagen: "Das ist rechtens." Beide nicken, sie haben sich schon so etwas gedacht. Glücklich ist die Frau nicht darüber, finanziell total von ihrem Mann abhängig zu sein. "Die Kinder sind aus dem Haus, ich bin flexibel. Ich will arbeiten. Aber niemand will mich."
Die Räume des Zentrums am Alten Markt haben sich geleert. Für diesmal. Morgen kommen wieder Erwerbslose. Und übermorgen und nächste Woche. Und natürlich auch dann noch, ist Doris Raab sicher, wenn das ABM-Projekt lange schon zu Ende ist. "Schließlich wird es immer wieder Menschen geben, die einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen müssen." Wenn dann die Zahl der Hilfesuchenden zu groß werde, bleibe nur noch eines - der Hinweis auf andere Beratungsstellen. Den gibt es natürlich auch jetzt schon.
Wer sich beraten lassen möchte, wird um eine telefonische Terminvereinbarung unter 0345 / 290 70 70 gebeten.