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Unwetter über Halle Unwetter über Halle: Blitze wie lange nicht mehr

Von michael tempel 11.06.2014, 08:28
Wie auf dem Foto über dem Stadtteil Frohe Zukunft sind am viele Blitze im Stadtgebiet von Halle eingeschlagen.
Wie auf dem Foto über dem Stadtteil Frohe Zukunft sind am viele Blitze im Stadtgebiet von Halle eingeschlagen. andreas Heine Lizenz

Halle (Saale)/MZ - „Plötzlich wurde alles weiß. Ich verspürte einen Schmerz oder einen Krampf - mein Körper zitterte. Ich bin aus der Dusche gesprungen und habe mächtig geflucht.“ Carlos Poniple wird diesen Mittwochmorgen nie vergessen. Der 26-jährige Student aus Halle will sich gerade für den Tag fertigmachen, als über der Stadt das seit Monaten stärkste Gewitter tobt. Dabei sind Blitze in Poniples Altbauwohnung in der Kardinal-Albrecht-Straße und an vielen weiteren Stellen eingeschlagen und haben beträchtliche Schäden angerichtet.

Als Folge des heftigen Unwetters ist am Mittwoch in mehreren Orten im Nordosten des Saalekreises die Stromversorgung ausgefallen. Grund waren laut Netzbetreiber Mitnetz Schäden an den Leitungen durch Überspannung nach Blitzeinschlägen, Baumumstürze und abgebrochene Äste.

Betroffen von dieser Havarie waren auch das Halle-Center Peißen (Stadt Landsberg) sowie benachbarte Handelseinrichtungen wie Möbel-Kraft und der Globus-Baumarkt. Weil beispielsweise Preisscanner, Registrierkassen sowie Diebstahl-Überwachungssysteme nicht funktionierten, waren viele der 54 Geschäfte im Center von etwa 10 bis 15 Uhr geschlossen. Darunter der Elektronikanbieter Media-Markt und der Discounter Aldi. Laut Center-Manager Thomas Saul wurde der Komplex in der Zeit notdürftig über Notstromaggregate versorgt. Weil im Real-Warenhaus auch die Kassensysteme mit Notstrom betrieben werden können, brauchte dort der Verkauf nicht eingeschränkt zu werden. Gleiches galt für den Globus-Baumarkt.

„Die Kunden haben auf die Einschränkungen ruhig und verständnisvoll reagiert“, sagte eine Sprecherin des Center-Managements. Die Havarie habe den Besucherzustrom natürlich begrenzt. Viele hätten aber in der Mall ausgeharrt in der Hoffnung, dass der Betrieb bald wieder normal weiterläuft. „Dass es so lange dauert, war für uns doch überraschend.“ Meldungen über Schäden an Waren in den Geschäften oder an der Haustechnik lagen gestern zunächst nicht vor. Auch Umsatzeinbußen konnten noch nicht beziffert werden.

Von den Schäden an den Mitnetz-Anlagen und den daraus resultierenden Stromausfällen waren gestern nach Firmenangaben im Saalekreis, im Landkreis Anhalt-Bitterfeld und im Burgenlandkreis zu Spitzenzeiten insgesamt 22 000 Kunden betroffen. Beispielsweise hatten die Bewohner des Ortes Niemberg sowie anderer Ortsteile der Stadt Landsberg über Stunden keinen Strom. Auch Ampeln an der B100 fielen bis in die Nachmittagsstunden aus.

Blitzeinschläge haben auch im Saalekreis zu Schäden und zu Feuerwehreinsätzen geführt. Am Morgen stand laut Leitstelle bei Beesenstedt (Gemeinde Salzatal) ein Verteilerkasten in Flammen. Kontrolleinsätze erfolgten zudem nach Einschlägen in einen Schornstein in Friedrichsschwerz (Stadt Wettin-Löbejün) und in ein Nebengebäude einer Kita in Wallwitz (Gemeinde Petersberg). Verletzt wurde niemand.

Stromstoß unter der Dusche

Ebenfalls gegen 9.30 Uhr, als Carlos Poniple den Stromstoß unter der Dusche erleidet, widerfährt seiner Nachbarin Lila Steinkampf in der Wohnung darüber Ähnliches: „Ich saß an meinem Laptop, als ich ein starkes Kribbeln verspürte. Ein Kribbeln, als ob man an ein Stromkabel fasst“, berichtet die 24-Jährige. Beide Studenten kommen mit dem Schrecken davon. Nachdem sie vorsichtshalber den Rettungsdienst alarmiert haben und der sie ins Diakonie-Krankenhaus bringt, erhalten sie die Diagnose: keine Verletzungen.

Das Gewitter, das mit schwarzen Wolken, orkanartigen Böen und heftigen Regengüssen über Halle hinwegzieht, hält Rettungskräfte und Techniker in Atem. Gegen 10.30 Uhr fallen die Ampelanlagen an den Kreuzungen Dessauer Platz, Willy-Brandt-Straße/Ernst-Toller-Straße und Delitzscher Straße/Käthe-Kollwitz-Straße nach Blitzeinschlägen für eine halbe Stunde aus. Immer wieder wird die Feuerwehr gerufen: zwei Mal bei der Logistikfirma Finsterwalder an der Delitzscher Straße, im Rathaus und im ehemaligen Thalia-Theater in der Kardinal-Albrecht-Straße - unweit der Wohnungen der beiden Stromschlag-Opfer. Gebrannt hat es in allen Fällen nicht. Als Ursache für die Fehlalarme wird Überspannung durch Blitzeinschlag vermutet.

Blitzschlag im Roten Turm

Ein Blitz schlägt auch im Roten Turm auf dem Markt ein und legt die Turmuhr lahm. „Der Auftrag für die Reparatur ist raus. Wann sie abgeschlossen ist, ist unklar“, sagt Stadtsprecher Drago Bock. Das beliebte Glockenspiel im Turm sei aber nicht defekt.

Die Erlebnisse der Studenten sind für Prof. Georg Schmidt vom Uni-Institut für Physik indes leicht erklärbar. „Wenn der Blitz in ein Haus ohne Blitzableiter einschlägt, dann wird er typischerweise über metallische Leitungen wie etwa Elektro- oder Wasserleitungen abgeleitet.“

Dass ein Blitz dabei auch über Personen abgeleitet werden kann, die gerade unter der Dusche stehen oder mit elektrischen Geräten hantieren, sei möglich, so der Wissenschaftler.

Starkregen in Halle
Starkregen in Halle
Silvio Kison Lizenz
Fußgänger und Autofahrer in Halle wurden von dem Unwetter überrascht.
Fußgänger und Autofahrer in Halle wurden von dem Unwetter überrascht.
Silvio Kison Lizenz