Unverständnis über neue Grabgebühren
Halle/MZ. - Die Telefone schrillten wegen der neuen Friedhofsgebühren ziemlich oft in der Redaktion. MZ-Leser schilderten, dass sie es niemandem zumuten wollten, sich später um die Grabpflege kümmern zu müssen. "Meine Kinder wohnen in Bayern, sie können deswegen nicht ständig herkommen", so eine ältere Frau, "für mich kommt nur die anonyme Wiese in Frage", sagte sie. Ruth Günther aus Neustadt schrieb: "Diese Anlage ist wenigstens begrünt und schöner als ein ungepflegtes Grab." Eine Witwe berichtete, sie sei zu gebrechlich, um noch auf den Friedhof zu gehen, deshalb habe sie ihren verstorbenen Mann anonym beerdigt.
Die Stadt fasst ihre Gebührensatzung neu, da sie befürchtet, dass immer größere Friedhofsflächen brach liegen, sollte der Trend zur Bestattung in so genannten Urnengemeinschaftsanlagen anhalten (die MZ berichtete). Bei dieser Form wird keine Grabeinfassung angelegt und kein Grabstein aufgestellt. Es wird viel Platz gespart, was jedoch nicht im Interesse der Friedhofsbewirtschaftung sei, wie es im Rathaus dazu heißt.
Anonymes Grab teurer
Für eine solche anonyme Grabstelle will die Stadt künftig 740 Euro in Rechnung stellen, bisher wurden nur 254 Euro verlangt, ein Anstieg um fast 200 Prozent. Damit wäre die anonyme Bestattung teurer als das Nutzungsrecht an einem Urnenreihengrab (658 Euro geplant) und auch teurer als ein Erdbestattungsreihengrab (694 Euro), wobei Reihengrab so zu verstehen ist, dass die Grabstelle von der Friedhofsverwaltung zugewiesen wird. Bei den teureren Wahlgräbern kann man selbst einen Platz für die letzte Ruhestätte vorschlagen. Beim Erdwahlgrab will die Stadt die Gebühr von 2 200 auf 1 038 Euro senken, beim Urnenwahlgrab von 840 auf 983 Euro erhöhen. Diese Gräber wären dann teurer als die anonyme Grabstelle.
"Die Rechnung wird nicht aufgehen", vermutet MZ-Leser Wolfgang Seering. Da nun die anonyme Grabstelle teurer ist als das Urnenreihengrab, werde es zwar so sein, dass wieder mehr Reihengräber genommen werden. "Aber man wird diese Gräber nicht pflegen, sie werden verwahrlosen, weil sich keiner drum kümmert", sagte er. Am Ende werde es auf den Friedhöfen ungepflegter aussehen als heute. Für Seering ist die neue Gebührensatzung Geldschneiderei. "Vielleicht ist die anonyme Bestattung die Bestattungsform der Zukunft, auch wenn man sich das vor zehn Jahren nicht vorstellen konnte", sagte er.
"Sind alle Verstorbenen, die im anonymen Urnenfeld liegen, unwürdig verscharrt worden? Und werden jetzt die Toten, deren Angehörige 200 Prozent mehr bezahlen, würdiger begraben?" Diese Fragen warf Brigitte Hoffmann aus Bennstedt im Saalkreis per E-Mail auf und sprach von einer geheuchelten Besorgnis um eine würdige Bestattung. Bei solchen Entscheidungen müsse man sich nicht wundern über eine geringe Wahlbeteiligung.