Operationsroboter Uniklinik Halle: Nierentransplantation mit OP-Roboter

Halle (Saale) - Kofferpacken im Nierentransplantationszentrum der Universitätsklinik Halle. Rita Scherf, die für ihren Sohn Daniel Römer eine Niere gespendet hat, sowie Enrico Richter, der sich für seine Schwester Jessica Richter als Spender zur Verfügung stellte, können zwei Wochen nach erfolgreicher Transplantation die Station in Richtung Heimat verlassen.
Nun ist medizinisch gesehen eine Lebendspende nichts Ungewöhnliches mehr. Und doch waren diese beiden Operationen etwas ganz Besonderes. Es waren nämlich die ersten in Ostdeutschland, die mit Hilfe des OP-Roboters DaVinci vorgenommen wurden.
Halle war damit deutschlandweit nach Homburg an der Saar der zweite Standort, an dem diese minimal-invasive Operationstechnik bei einer Lebendspende zum Einsatz kam. „In Europa wurden bisher höchstens 30 dieser Roboter-assistierten Eingriffe durchgeführt“, sagt Professor Dr. Paolo Fornara, Direktor der halleschen Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie mit dem dazugehörigen Nierentransplantationszentrum.
Uniklinik Halle: Nierenoperation mit OP-Roboter DaVinci
„Das ist selbst für mich als erfahrenen Operateur ein ganz gewaltiger Schritt“, sagt Fornara, der seit Jahrzehnten ein Vorreiter in der Transplantationsmedizin ist. Schon seit 2004 entnimmt er bei Lebendspenden die Nieren mittels Schlüsselloch-Chirurgie. Das heißt, ohne Schnitt. „Das ist an sich schon etwas besonderes“, unterstreicht Fornara.
Dass nun durch Einsatz des OP-Roboters auch die eigentliche Transplantation möglich ist, das nennt er revolutionär und einen Meilenstein in der Medizin.
„Sie entnehmen eine Niere, ohne zu schneiden, und sie transplantieren eine Niere, ohne zu schneiden“, betont er. Das sei bisher nicht möglich gewesen. Es entstehen nur kleinste Narben, die Patienten sind schneller wieder mobil und haben weniger Schmerzen. Zudem heilt die Wunde schneller.
„Wenn mich noch vor fünf Jahren jemand gefragt hätte, ob eine Transplantation ohne Schnitt möglich ist, dann hätte ich gesagt, das geht nicht“, betont Fornara. „Dass ich noch miterleben kann, aktiv als Kliniker, dass man eine Niere robotisch transplantiert, das hätte ich nicht für möglich gehalten“, sagt der 60-Jährige.
Und dass dies zudem an der Uniklinik in Halle stattgefunden hat, das macht ihn stolz. Es sei eine Bestätigung jahrelanger Arbeit und gebe der ganzen Klinik ein Gefühl, ganz vorn mit dabei zu sein. Fornara betont gleichzeitig, dass das nicht nur ein Erfolg der Urologen sei, sondern auch der Nierenspezialisten und der Anästhesisten. Ohne sie wäre das nicht möglich gewesen. An den Eingriffen war ein Team aus 40 Mitarbeitern beteiligt.
Die Patienten sind sich der Bedeutung dieser Operationen durchaus bewusst. Vor allem aber sind sie erst einmal glücklich, dass ihr Leidensweg ein Ende gefunden hat. Der 37-jährige Daniel Römer aus Magdeburg erzählt, dass er seit 20 Jahren nierenkrank sei. In letzter Zeit habe sich sein Zustand dramatisch verschlechtert. Vor acht Wochen musste er an die Dialyse.
Da habe seine Mutter nicht lange gezögert und sich als Spenderin zur Verfügung gestellt. Dass er mittels eines Roboters operiert worden ist, das findet er spannend. „Ich bin selbst Ingenieur und habe großes Vertrauen in die Technik gehabt“; sagt er. Ein Vertrauen, dass gerechtfertigt war.
Jessica Richter musste ein Jahr lang dreimal die Woche zur Dialyse. „An diesen Tagen konnte ich gar nichts machen“, erzählt die Leipzigerin, die sich wegen des guten Rufes der urologischen Klinik zu einer Behandlung in Halle entschlossen hat. Schon seit drei Jahren konnte die 32-jährige Pflegerin ihren Beruf nicht mehr ausüben. „Nun möchte ich aber unbedingt wieder arbeiten“, sagt sie.
Für Fornara sind solche Sätze der schönste Lohn. Er begleitet Patienten, die auf eine Transplantation warten, meist über einen längeren Zeitraum. „Arzt und Patient bilden in dieser Zeit eine verschworene Gemeinschaft“, sagt er.
Es entstehe fast so etwas wie Freundschaft. Und wenn er und sein Team es den Menschen ermöglichten, wieder ein annähernd normales Leben zu führen, beispielsweise wieder einer Arbeit nachzugehen, dann bewegt ihn das. Auch noch nach fast 40 Berufsjahren.
Organspende und Operation an der Uniklinik Halle
Hochachtung zollt der Mediziner aber auch den Spendern. „Die Organspende ist die höchste Form sozialer Kompetenz“, betont er. Lebendspendern werde in Deutschland nicht genügend Aufmerksamkeit und Anerkennung gezollt, beklagt der Arzt. „Sie geben einen Teil ihres Körpers und müssen hinterher um eine Reha kämpfen.“ So etwas habe er öfter erlebt.
Für Rita Scherf war es keine Frage, ihrem Sohn zu helfen. „Es ist eine Bauchentscheidung gewesen“, sagt die 61-Jährige. Auch Enrico Richter musste nicht lange überlegen. Die Schwester war schwer krank, also habe sich die Familie an einen Tisch gesetzt und beraten. Der Test brachte die Entscheidung. Er kam als Spender in Frage. Für sein eigenes Leben befürchtet der 33-Jährige jetzt keine Einschränkungen.
Der OP-Roboter DaVinci gehört seit zwei Jahren quasi zum Team der Universitätsklinik in Halle. Zunächst wurden mit ihm Operationen an der Prostata vorgenommen. Nach und nach weitere sich das Einsatzgebiet des Roboters auf alle urologischen Erkrankungen aus.
Nun sei ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Gebiet der minimal-invasiven Chirurgie gewagt worden, sagt Fornara. Vorbereitungen dazu liefen seit dem Sommer des vergangenen Jahres. Die Eingriffe wurden - zum Teil im Ausland - trainiert, denn auch der beste Roboter kommt ohne Anweisungen des Mediziners nicht aus.
Die erste derartige Nierentransplantation dieser Art fand übrigens im Sommer 2015 im spanischen Barcelona statt. Dr. Alberto Breda, Sohn eines Studienkollegen des gebürtigen Italieners Fornara, hat sie dort etabliert.
Breda unterstützte die halleschen Kollegen auch bei diesen beiden ersten beiden Roboter-Transplantationen. Das Ganze lief in zwei OP-Sälen ab. Während Fornara in dem einen die Niere des Spenders mittels Schlüsselloch-Technik entnahm, wurde in dem anderen der Empfänger auf die Transplantation vorbereitet, die Oberarzt Dr. Nasreldin Mohammed dann mit Hilfe des „Kollegen“ DaVinci vornahm. Übrigens - sollte letzterer einmal Probleme haben - ist stets der Umstieg auf eine herkömmliche OP möglich.
Fornara erinnert sich noch sehr genau an seine allererste Nierentransplantation. Es war 1978 in Verona, noch während seines Studiums. Er durfte dabei nichts weiter tun als Haken halten. Aber es habe ihn fasziniert, zu sehen, wie in die transplantierte Niere wieder Leben kam, wie sie wieder durchblutet wurde.
„Die Transplantationsmedizin hat mich nie wieder losgelassen“, erzählt er. Übrigens hängen im Flur vor seinem Dienstzimmer in Halle - eingerahmt - die grünen OP-Kappen, die sein Chef und er damals bei der Operation getragen haben.
Fornara wurde zu einem Pionier auf dem Gebiet der Urologie. 1994 war er europaweit der einzige, der Nieren minimal-invasiv entfernte. Damals noch nicht zu Transplantationszwecken, sondern für die Pathologie, wie er nüchtern sagt.
Ehe er sich auf diese Weise an die Lebendspende wagte, vergingen noch einmal zehn Jahre. „Denn es kommt darauf an, weder den Spender noch die Niere zu schädigen“, erklärt er. Das will gekonnt sein. Inzwischen hat er 131 Nieren auf diese Weise entnommen.
Für Fornara schließt sich mit der Roboter-assistierten Nierentransplantation auch in Halle ein Kreis. „Die Urologie in Halle“, so erzählt er, „hat schon einmal einen Meilenstein gesetzt.“ Und zwar im April 1966, als Prof. Heinz Rockstroh der erste DDR-Mediziner war, der hier eine Niere verpflanzte, die von einem lebenden Spender kam. Aus politischen Gründen sei das damals nicht anerkannt worden. Trotzdem fühlt Fornara sich in guter Tradition. Und - auch ein Foto von Rockstroh hängt in seinem Flur. (mz)
