Trainings-Puppe schwitzt und blutet
HALLE/MZ. - Plötzlich verschlimmert sich der Zustand des Patienten, er ist nicht mehr ansprechbar - Herz-Kreislauf-Stillstand nach Herzinfarkt. Jetzt arbeiten Notarzt und Rettungsassistenten hochkonzentriert. Sie machen Herzdruckmassagen, beatmen ihn, geben ihm Spritzen. Jeder Handgriff sitzt. Als sie ihn stabilisiert haben, bringen sie ihn zur Weiterbehandlung ins Krankenhaus. Was wie dramatischer Mediziner-Alltag aussieht, ist aber zum Glück nur eine Übung.
Dass dabei der Patient nur eine Trainings-Puppe ist, haben Nico Schurig, Christin Siermann und Nils Gehlhaar als Notfall-Team zeitweise gar nicht mehr wahrgenommen. Für die Medizinstudenten der Uni Halle war der zehnminütige Einsatz fast wie ein echter - denn der "SimMan 3 G", wie die Trainingspuppe heißt, kann fast alle Symptome simulieren - Verletzungen, Infarkt, Bewusstlosigkeit.
Der "SimMan 3 G", ein Super-Dummy der dritten Generation, der wie ein Mensch leidet und auf Behandlungen reagiert, ist einer der weltweit modernsten. Eine dieser Hightech-Puppen im Wert von rund 70 000 Euro, von denen es in Deutschland gerade mal sechs gibt, hat ihr Zuhause an der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Uni Halle.
"Damit werden wir Studenten, Pflegepersonal, Ärzte und auch Zahnärzte noch besser ausbilden und schulen können", sagt Klinikdirektor Prof. Dr. Michael Bucher. Das Geld dafür stamme übrigens aus Langzeit-Studiengebühren. Kurz vor Weihnachten waren Mitarbeiter des Herstellers, der norwegischen Firma Leardal, in Halle, um Lehrkräfte mit dem Elektronik-Wunder vertraut zu machen.
Dass die Puppe, die schwitzen, bluten und Schaum vor dem Mund bilden kann, angeschafft werden konnte, ist mit ein Verdienst von Dr. Oliver Meyer. Der Narkosearzt wird die Schulungen leiten. Neu, so sagt der 40-Jährige, seien Dummys nicht. Im Simulationszentrum an der Magdeburger Straße ist er Herr über dutzende, die es in Baby-Größe ebenso gibt wie als Kopf oder Torso. Aber einen mit derart lebensechten Funktionen, "das hatten wir noch nie", schwärmt Meyer, der scherzhaft schon mal "Puppen-Doktor" genannt wird.
Das Geheimnis des "SimMans" verbirgt sich in dessen Körper. Dort sitzt unter anderem ein kleiner Hochleistungs-Computer. Mit Hilfe eines Laptops wird der Dummy zum Leben erweckt, wie Torsten Seipel, Mitarbeiter der Herstellerfirma, erläutert. Während des Herzinfarkt-Einsatzes steuerte er die Körperfunktionen der Puppe, ließ sie atmen und ihr Herz schlagen. Er veranlasste auch, dass es dem Patienten schlechter ging, worauf sich die "Retter" rasch einstellen mussten.
Auf Medikamente reagiert "SimMan" automatisch - Spritzen zum Beispiel nimmt er über Funksender wahr, so dass nach einem Beruhigungsmittel der Blutdruck sinkt. Nur sprechen kann er noch nicht. Über ein Mikrofon lieh ihm jedoch Seipel seine Stimme.
Dank neuartiger kabelloser Übertragung ist solch ein Notfall-Training überall machbar. "Wir wollen es sogar mal in einem Rettungshubschrauber probieren", erzählt Meyer. Denn es sei außerordentlich wichtig, die Szenarien so echt wie möglich ablaufen zu lassen. In extremen Situationen fehle nicht das Wissen, sondern Routine und Ruhe: "Gerade das perfekte Zusammenspiel unter widrigen Umständen soll geübt werden."
Er hat den Einsatz aufgezeichnet, um ihn mit den Studenten auszuwerten. Sie werden bei ihm im letzten Studienjahr drei Monate pro Woche zwei Stunden in Notfallmedizin ausgebildet. "Was man an der Puppe falsch macht, hat keine Konsequenzen", sagt Meyer. Auf Knopfdruck lasse sich alles so lange wiederholen, bis es sitzt.