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Tino Fischer Tino Fischer: Bücher mit eigenem Chauffeur

Von Sandy Schmied 26.08.2015, 07:06
Tino Fischer bringt Bücher an viele Ecken der Stadt.
Tino Fischer bringt Bücher an viele Ecken der Stadt. MZ Lizenz

Halle (Saale) - Einige Fragen drängen heute ganz besonders: „Gibt es hier eigentlich auch Liebesgedichte?“, fragt ein Jugendlicher verlegen, „Ich habe nämlich eine Freundin und möchte ihr vorlesen“.

Für Tino Fischer kein Problem. Wenn der 50 Jährige mit dem Bücherbus quer durch Halle unterwegs ist, dann ist er nicht nur Bibliothekar, sondern auch für den ein oder anderen Ratschlag zu haben. „Die Fahrbibliothek ist mehr als nur ein Ort zum Bücher leihen“, weiß ihr Leiter. Einige Anwohner nutzen hier die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen, wo sich sonst nicht die Gelegenheit dazu findet. Manche erzählen Tino Fischer Geschichten aus ihrem Garten oder gelegentlich davon, wo es gesundheitlich gerade wieder zwickt und zwackt.

Auch Matthias Schröder, der den Bus von Station zu Station lenkt, kennt viele der Stammnutzer gut: „In Kröllwitz gibt es Familien, die schon über drei Generationen hinweg zum Bücherbus kommen“.

Zum ersten Mal rollte eine Fahrbibliothek 1974 über die Straßen von Halle. „Ich habe als Kind am Landrain gewohnt und damals selbst in dem ersten Bus Bücher ausgeliehen“, erinnert sich Tino Fischer.

Schwierigste Hürde

Inzwischen leitet er die rollende Zweigstelle seit 25 Jahren selbst. Allein bei seiner Ausbildung im Bibliothekswesen blieb es dabei nicht: „Das schwierigste war der Lkw-Führerschein. Dabei bin ich ganz schön ins Schwitzen geraten“, gibt er zu.

Um sein Vorstellungsvermögen zu schärfen, übte er schwierige Situationen mit einem kleinen Modellauto und schaffte seine Prüfungen so auf Anhieb.

Seit fünf Jahren werden Bücher, Zeitschriften, CDs und DVDs im mittlerweile dritten Bus durch die Stadtviertel chauffiert. Insgesamt können so über den Bücherbus 7800 Medien ausgeliehen werden. Um den Platz nicht zu sprengen, wird ein Teil von ihnen im Magazinbestand in der Südstadt gelagert.

Seitdem Anfang der 90er Jahre viele Zweigstellen schließen mussten, soll der Bücherbus besonders dort vor Ort sein, wo der Weg zu nächsten Bibliothek weit ist. „Wir haben nach den weißen Flecken auf der Karte gesucht“, erklärt Tino Fischer, wie die 32 Stationen ausgewählt wurden. Haltestellen, die schon seit Jahren gut laufen, werden ohnehin weiter bedient.

12 Tonnen schwerer Bücherkoloss

Oft parkt der Bus vor Grundschulen, das Angebot wird auch von vielen Kindern genutzt. Manchmal ist das allerdings auch gar nicht so einfach. Entweder, weil der Bus nicht stehen bleiben kann, weil er sonst den kompletten Straßenverkehr lahmlegen würde, oder auch ein Mal, weil eine Asphaltdecke der Dauerbelastung mit fast 12 Tonnen nicht standzuhalten drohte.

Dank moderner Ausstattung verfügt der Lkw über Laptop, Klimaanlage und eine Heizung für die kalten Wintertage. Nach einem langen Tag auf Tour ist die Batterie dann fast am Limit. Zum Energietanken wird der Bus deshalb abends an eine Kraftstromsteckdose in der Südstadt angeschlossen, damit es am nächsten Morgen wieder durch die Stadt gehen kann.