Wie Halles Handballerinnen planen SV Union Halle-Neustadt: Sind die Wildcats reif für die Handball-Bundesliga?

Halle (Saale) - Fast ein Drittel der Saison ist geschafft. Nach neun von 30 Spieltagen stehen die Handballerinnen von Union mit weißer Weste an der Spitze der zweiten Bundesliga. Zuletzt wurde der oftmalige Dominator des Unterhauses, Buchholz-Rosengarten, bezwungen. MZ erklärt, was diese Ergebnisse wert sind.
Wird das Saisonziel - Platz eins bis vier - konkretisiert?
Natürlich war der 20:19-Sieg über den Vorjahresmeister dieser Liga ein Fingerzeig, auch wenn Trainerin Tanja Logvin betont, dass die Saison noch lang sei und mit Zwickau, Berlin oder Waiblingen weitere schwere Gegner in der ausgeglichenen Liga noch kommen werden.
Unions Sportlicher Leiter Jan-Henning Himborn erklärt die Haltung der Vereinsführung: „Wir haben die Aufgabe, den Druck nicht zu groß werden zu lassen. Deshalb sagen wir zu den Spielerinnen: ,Ihr tut das für euch, genießt die Siege, dann ist auch die Lockerheit da, um Erfolg zu haben.’“ Die Spielerinnen reden offen darüber, dass ihr Blick Richtung erste Liga geht.
Hat das Team schon das Potenzial fürs Oberhaus?
Unions Spiel steht und fällt mit den unumstrittenen Chefs auf dem Parkett, Sophie Lütke und Saskia Lang. Talente wie Lea Gruber, Julia Redder oder Danique Boonkamp, das bestätigt auch die Trainerin, haben sich weiterentwickelt. Immer öfter blitzt ihre Klasse auf. Was ihnen noch fehlt, ist Kontinuität.
„Aber die darf man bei so jungen Spielerinnen noch nicht verlangen“, sagt Tanja Logvin. Um konstant gut zu sein, brauche es ganz viel Routine. Halle bietet ihnen die Chance, Erfahrungen zu sammeln - an der Seite einer 76-fachen Nationalspielerin Lang oder Torgarantin Lütke. „Die Jungen partizipieren also vom Spiel unserer Besten“, sagt Jan-Henning Himborn.
Also braucht Union gar keine Verstärkung?
Der Kader wird fürs Oberhaus nicht ausreichen, weder qualitativ noch quantitativ. Mit nur zwölf Profis spielt Union aktuell am Limit. Tanja Logvin und Jan-Henning Himborn hatten sich bewusst dafür entschieden, Leistungsträger wie die starke Torfrau Anica Gudelj oder Sophie Lütke für zwei weitere Jahre zu binden sowie Saskia Lang zu holen, anstatt für das zur Verfügung stehende Geld ein paar Spielerinnen mehr aus Liga drei zu verpflichten.
„Wir brauchen Spielerinnen, um Saskia und Sophie zu entlasten“, bestätigt Tanja Logvin. Mindestens zwei neue sollen 2020/21 kommen. Im Rückraum auf der rechten Position zum Beispiel, „auch um unsere Flexibilität zu erhöhen“, wie Jan-Henning Himborn sagt. Es gehe nicht einfach nur darum, den Kader aufzufüllen, sondern das Team ganz gezielt zu verstärken.
Gibt es schon mögliche Kandidatinnen?
Unions Trainerin und der Sportliche Leiter sondieren natürlich den Markt und stehen im Austausch. Für Namen ist es zwar noch zu früh. Halles komfortable Tabellensituation wird aber sicher mögliche Vertragsverhandlungen erleichtern. Da Jan-Henning Himborn noch nicht weiß, wie sein Budget kommende Serie aussehen wird, ist noch Zurückhaltung geboten.
Die Torschützenliste der zweiten Bundesliga wird von einer Wildkatze angeführt: Sophie Lükte hat vom Feld aus 62 Mal getroffen - so oft wie keine andere. Dazu kommen neun Tore vom Siebenmeterpunkt. Das macht für Unions Kapitänin eine Quote von durchschnittlich 7,9 Toren pro Spiel. Einzig Ann Kynast (Waiblingen) kommt in der Summe mit 73 Toren auf mehr als Unions Lütke. Sie erzielte 61 Tore aus dem Spiel heraus und zwölf vom Siebenmeterpunkt. Zweitbeste Hallenserin ist Saskia Lang als Gesamtsiebte der Hitliste mit 60 Toren: 56 aus dem Feld und vier vom Siebenmeterpunkt. Als Halles Nummer drei geführt wird Swantje Heimburg (28/alle Feld).
Mit Laura Winkler befindet sich eine Langzeitverletzte aus dem Union-Kader wieder im Training. Sie hatte sich in der Saisonvorbereitung einen Finger ausgekugelt und musste operiert werden. Anfang nächsten Jahres sollte sie Union auch wieder bei Spielen unterstützen können. In den drei Spielen in diesem Jahr eher nicht. Am Samstag spielt Halle in Freiburg, am 7. Dezember kommt Waiblingen und eine Woche später geht’s nach Bremen.
Die Vorgabe, Spielerinnen zu favorisieren, die sich mit Halle identifizieren, bleibt bestehen. „Fakt ist, dass die, die bei uns unterschreiben, dies unabhängig von der Ligazugehörigkeit machen müssen“, sagt der Teamchef. Sollte es nicht mit dem Aufstieg klappen, will man nicht im Mai mit der Suche von vorn anfangen müssen.
Was ist mit denen, deren Verträge 2020 auslaufen?
Mit Pia Dietz, Laura Winkler und Torfrau Isabel Gois sind das nur drei Spielerinnen. Mit ihnen beginnen die Gespräche in Kürze.
Wird die WM ab Samstag in Japan als Casting genutzt?
Natürlich wird geguckt. „Die Frage ist, ob wir schon so attraktiv sind, um Spielerinnen dieser Qualität nach Halle holen zu können“, sagt Himborn. Aber wenn möglich, will sich die Mannschaft die Auftritte der Deutschen im Internet gemeinsam anschauen. „Das ist schließlich das Highlight des Jahres“, sagt die einstige Weltklassespielerin Tanja Logvin. Den Auftakt der deutschen Frauen am Samstag gegen Brasilien allerdings nicht, da ist Union selbst beim Aufsteiger in Freiburg gefordert.
Und wie sieht es mit dem eigenen Nachwuchs aus?
Der hat als Unions zweite Mannschaft vordergründig die Aufgabe, sich in Liga drei zu profilieren. Aktuell steht der Aufsteiger am Tabellenende. Allerdings ist auch dieser Kader mit zwölf Spielerinnen klein. Zwei, drei Talente bekommen trotzdem aktuell die Chance, sich in der ersten Mannschaft mit einzubringen.
„Da spielen eine Lena Smolik oder Vanessa Dierks ohne Druck. In der zweiten Mannschaft lernen sie, Verantwortung zu übernehmen und mit Druck klarkommen“, sagt Jan-Henning Himborn, der die Youngster auch trainiert. Er bejaht ganz klar den Aufstieg, auch wenn seine Schützlinge gerade viel Lehrgeld zahlen. (mz)