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Stolpersteine in Halle Stolpersteine in Halle: Neue Steine erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus

Von Anne Schneemelcher 10.11.2015, 15:38
Die Zehntklässlerinnen Michelle und Emely von der IGS Halle. Die Schule hat Geld für die Steine der Familie Stempel gesammelt.
Die Zehntklässlerinnen Michelle und Emely von der IGS Halle. Die Schule hat Geld für die Steine der Familie Stempel gesammelt. Silvio Kison Lizenz

Halle (Saale) - Die Bauarbeiten in der Krausenstraße vor dem Haus Nummer 10 sind in vollem Gang. Doch die Bauarbeiter müssen am Dienstagvormittag für die Zehntklässler der Integrierten Gesamtschule Halle eine Pause einlegen. Paletten mit Pflastersteinen werden zur Seite geschoben, damit Platz auf dem Gehweg ist. Dort sollen nämlich drei neue Stolpersteine zur Erinnerung an eine Familie aus Halle eingelassen werden. Die Steine sind Teil eines europaweitem Gedenkprojektes des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Sie sollen an das Schicksal von Menschen erinnern, die an jener Stelle einst lebten - bis die deportiert und ermordet wurden.
Die Schüler hatten an ihrer Schule Geld für die Steine von Rosa Stempel und ihre Kinder Charlotte und Siegfried gesammelt. Beim Einsetzen ins Pflaster erfuhren die Zehntklässler, wie die Juden während der Zeit des Nationalsozialismus ums Leben kamen.

„Siegfried war ein ziemlich munterer und aufsässiger Typ“, erklärt Heidi Bohley vom Verein für Zeitgeschichte den Schülern. Der Jude wurde zwei Mal verhaftet. Einmal hatte er einen Nichtjuden mit einem Hitlergruß gegrüßt. Das stand ihm nicht zu und wegen dieser provozierenden Geste wurde Siegfried 1938 „wegen groben Unfugs“ verhaftet. Zwei Jahre später musste er sich dafür rechtfertigen, dass er für eine jüdische Firma Werbung gemacht hatte. Siegfried war in den Konzentrationslagern Buchenwald und Dachau und kam nie wieder zurück. Er starb mit 52 Jahren in Buchenwald. Mutter Rosa wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie mit 74 Jahren starb - vermutlich ohne zu wissen, wie es ihrer Tochter erging.

Unterrichtsstoff wird real

Tochter Charlotte gelang nämlich 1939 die Flucht nach Shanghai. Dort wurde sie „völlig entrechtet und wohnte in einem Ghetto, wo viele arme Menschen auf engstem Raum zusammenlebten“, so Bohley. Nach einem Jahr hielt es die damals 45-Jährige nicht mehr aus und nahm sich das Leben. „Ob ihre Mutter das jemals erfuhr, ist nicht klar“, sagt Bohley. „Das ist krass“, findet die 16 Jahre alte Emely. Zwar war die Zeit des Nationalsozialismus Stoff der neunten Klasse - dennoch trifft sie das Beispiel der Familie Stempel aus Halle. Mitschülerin Michelle geht es ähnlich. Vor allem, weil der Stoff aus dem Unterricht an einem realen Schauplatz begann - dort, wo sie gerade steht.
Neben den Steinen der Stempels wurde an insgesamt acht Orten Steine für 13 Menschen verlegt. (mz)

Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegte am Dienstag die Steine in Halle.
Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegte am Dienstag die Steine in Halle.
Silvio Kison Lizenz