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Stadtteil Mötzlich Stadtteil Mötzlich: Nasse Stelle mit viel Historie

Von Claudia Crodel 31.07.2017, 05:00
Dorfchronist Albert Osterloh
Dorfchronist Albert Osterloh Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Mötzlich ist der nord-östlichste Stadtteil von Halle. Er gehört seit der Gebietsreform im Jahr 1950 zur Saalestadt. Seinen dörflichen Charakter hat er sich bis heute erhalten. Eine Immobilienfirma bezeichnet das Viertel sogar als Wohnort, der an einer „Seenplatte“ gelegen ist und spielt damit auf die vielen kleinen Teiche und Seen direkt um den Ort an, auf die ausgedehnten Grünflächen und vielen Spazierwege, die zu ausgedehnten Spaziergängen einladen.

Der Stadtteil Mötzlich wurde 1950 eingemeindet, hat aber seinen dörflichen Charakter erhalten. Unter Leitung von Hobby-Geschichtsforscher Albert Osterloh erschien eine Dorfchronik.

Mötzlich oder vielmehr damals Mucelice, wo sich sorbisch stämmige Menschen ansiedelten, wurde 1290 erstmals nachweislich urkundlich erwähnt. Doch bereits in der Jungsteinzeit war das Areal besiedelt, wie archäologische Funde beweisen.

Grundwasserspielgel von Mötzlich ist sehr hoch

Der Name des Ortes soll übrigens so viel wie „nasse Stelle“ heißen. Ein Ortsname, der es auf den Punkt bringt, denn der Grundwasserspielgel von Mötzlich ist sehr hoch. Als dort von Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1961 in der Grube „Freundschaft“ Braunkohle abgebaut wurde, merkte das keiner. Erst als die Grube geschlossen worden war, stieg das Grundwasser um ganze 15 Meter wieder an. Die vielen Teiche um den Ort, die als Brut- und Aufenthaltsgebiet vieler verschiedener Vogelarten gelten, zeugen davon und auch die Keller so manchen Hauses.

Einer, der sich besonders gut mit Mötzlich und seiner Geschichte auskennt, ist Albert Osterloh. Der promovierte Landwirt, der zwölf Jahre lang bis zu seinem Ruhestand Chef der Erzeuger- und Absatzgemeinschaft Saaleobst in Schochwitz war, hat sich eingehend mit der Historie von Mötzlich beschäftigt, hat in etlichen Archiven geforscht und viel Wissenswertes zusammengetragen. Gemeinsam mit acht anderen Autoren hat er 2012 die „Chronik Mötzlich“ in Buchform vorgelegt.

Viele Jahre gab es eine einzügige Dorfschule

Dabei ist Osterloh kein Mötzlicher im engeren Sinne, sondern war zugezogen, im Jahr, als er in den Ruhestand ging. Jetzt, als er und seine Frau beide 80 Jahre alt geworden sind, haben sie das Dorf wieder verlassen und sind zurück nach Halle gezogen.

Dass er die Geschichtsforschung für sich entdeckt hat, liegt vielleicht auch daran, dass er in ein historisch bedeutsames Gebäude gezogen war: die alte Schule, genauer gesagt in den alten großen Schulraum, in dem einst bis zu 110 Kinder zusammen lernten. Viele Jahre war es eine einzügige Dorfschule, in der immer zwei Schuljahrgänge zusammen unterrichtet wurden.

Köstliche Streitereien aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Osterloh ist bei seinen Recherchen auf köstliche Streitereien aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen zwei Hitzköpfen gestoßen - dem Pfarrer August Christian Werkmeister und dem Dorflehrer August Brügert, der auch Kantor und damit dem Pfarrer bedingungslos unterstellt war. Zehn Jahre lang sei der Streit gegangen, das Dorf war in zwei Lager gespalten. Und das alles wegen Themen wie das Läuten der Glocken vor Schulbeginn. Eigensinn, Launen und Trunksucht spielten dabei eine große Rolle.

„Ich hatte anfangs überhaupt keine Ahnung von Historie und wie man da ran geht“, erinnert er sich. Doch sein Interesse war geweckt. Schon im Winter 2002/03 setzte er sich in das Stadtarchiv Halle sowie Archive in Magdeburg, Wernigerode. In Mötzlich selbst hatte er sechs alte Kirchenbücher gefunden und konnte so in die Geschichte zurück bis ins Jahr 1616 tauchen.

Geschichte von Mötzlich ist äußerst vielfältig

Nach zwei Jahren hielt Albert Osterloh in der Kirche den ersten Vortrag vor den Mötzlichern. „Ich dachte, es kommen vielleicht zwanzig. Es waren aber 250. Da habe ich einen Abendvortrag und anschließend noch einen Nachtvortrag gehalten, weil die Kirche nur 150 Plätze hat“, blickt Osterloh zurück.

Die Geschichte des Ortes ist äußerst vielfältig. Zu ihr gehören auch dunkle Kapitel, wie die Zeit des 30-jährigen Krieges mit ihren Einquartierungen und Plünderungen. Die Mötzlicher verließen fast vollständig mehrfach über Jahre ihr Dorf und flüchteten in die nahe gelegene Stadt. Und da ist die große Brandkatastrophe von 1750, die den Ort nahezu vollständig zerstörte.

Kuriose Geschichten gibt es in Mötzlich viele

Kuriose Geschichten gibt es viele. Eine ist mit den Holländermühlen verbunden. auch wenn das heute kein Mötzlicher mehr aus eigenem Erleben weiß: Im 19. Jahrhundert soll es drei gegeben haben. Das jedenfalls sagen Konzessionen, die im Merseburger Archiv liegen. Im Mühlenregister findet sich zudem ein Eintrag darüber, dass im Jahr 1881 feuchtes Mehl mit Madenbesatz einfach noch einmal gemahlen und dann ausgeliefert wurde.

Interessant auch eine Zählung der Maulbeerenbäume, die laut eines königlichen Edikts Friedrich II. als Futter zur Aufzucht von Seidenraupen dienen sollten. Nach einer Zählung des Amtes Giebichenstein aus den Jahren 1867 bis 1878 sollen die Mötzlicher Kirche 24, die Gemeinde 120 und die Schule 150 Maulbeerenbäume gehabt haben. (mz)